Ohne die vielen Stolpersteine würde ich heute nicht das machen, was ich tue!

Vor genau 7 Jahren habe ich meinen ersten Impulsvortrag in einer Fußballschule gehalten. Die Zielgruppe waren Eltern, die für die Herbstferien ein Fußballcamp für ihr Kind gebucht hatten. Die Idee war, dass ich einen 30-minütigen Impuls gebe, wenn sie ihr Kind am Sonntagnachmittag abgeben. Soweit so gut. Ich habe mich gefühlt wochenlang vorbereitet. Eine PowerPoint erstellt, in der erklärt habe, was Fußball fürs Kind und die Eltern bedeutet, wie eine optimale Unterstützung aussehen kann, habe Tipps erteilt, Fotos und Videos herausgesucht, um alles anschaulich zu machen

… Und bin kläglich gescheitert. Der Vortrag ist komplett in die Hose gegangen. Mein wichtigstes, aber auch schmerzlichstes Fuck up. Das Video aus der PowerPoint wollte nicht starten, viele Eltern haben mich verständnislos angeschaut, wollten lieber schnell nach Hause als mir zuzuhören und ich fühlte mich sehr verloren.

Willst du lieber hören statt lesen? Dann findest du hier die dazugehörige Podcast-Episode:

Was war geschehen?

Ich habe die Eltern komplett überfordert. So ein Angebot kannten sie bis dato nicht und wussten nicht, was und wie sie damit umgehen sollen. Vergleichbar mit Kindern, die wenig Aufmerksamkeit bekommen und auf einmal einen Tisch mit Geschenken vor sich haben und sich nicht sicher sind, was sie davon halten sollen. Ist es wirklich für mich? Darf ich mir etwas davon nehmen? Und auch behalten?

Nachdem ich mir ein paar Tage die „Wunden geleckt habe“, denn ich habe total an mir gezweifelt und mich gefragt, ob meine Nische wirklich gebraucht wird, habe ich mich an die Nachbereitung gemacht. Etwas, was ich bis heute nach jedem Vortrag, Workshop und Erstkontakt mache.

 

Dabei habe ich drei Dinge festgestellt:

  1. Ich bin aus meiner Perspektive an den Vortrag herangegangen, mit der Mischung aus meinem Fach- und Erfahrungswissen und einer seit ein paar Jahren andauernden Auseinandersetzung mit dem Thema Zusammenarbeit zwischen Eltern und Trainer*innen. Was hätte ich gerne an Impulsen gehabt, als unser Sohn gespielt hat? Was hätte mir im Rückblick geholfen? Ich hatte nicht meine Zielgruppe im Auge, weil ich schon angenommen habe zu wissen, was sie brauchen. 
  2. Für die Eltern war diese Art von Angebot ganz neu. Unbekanntes braucht Zeit, um es zu verstehen, sich damit auseinanderzusetzen und zu entscheiden, ist es etwas für mich. Ich dachte, die Eltern würden mir freudig um den Hals fallen, dass endlich mal jemand eine Lanze für sie bricht. 
  3. Ein weiteres Learning, was ich daraus gezogen habe, war, dass Angebote für Eltern zwar wichtig sind. Damit ihre Belange jedoch gehört werden, braucht es zuallererst die Bereitschaft der Trainer*innen und Vereine mit Eltern zusammenarbeiten zu wollen. Geschieht das nicht, werden Eltern immer wieder an „die gläserne Decke stoßen“, Unverständnis erfahren und der Frust größer statt kleiner werden. Was mich seitdem dazu gebracht hat, den Fokus meiner Arbeit auf Trainer*innen, Jugendleitungen, Vereine und Verbände zu legen.  

 

Was mache ich heute anders?

1. Das richtige Onboarding ist wichtig

Ich beginne immer mit einem Onboarding-Prozess. Dabei gehe ich bereits VOR der Veranstaltung über den Auftraggeber in Kontakt mit den Teilnehmer*innen. In einer Mail oder einem Video stelle ich mich vor und erkläre, was ich mache und was sie erwarten wird. Diese Informationen klären auf, vermitteln erstes Wissen und machen den ersten Schritt ins Kennenlernen.

Zusätzlich erstelle ich eine individuelle Umfrage, um so bereits mehr über sie und ihre Bedürfnisse zu erfahren, die ich in den Vortrag oder Workshop einfließen lasse. Gleichzeitig führt die Auseinandersetzung mit den Fragen dazu, dass die Personen sich mit dem Thema beschäftigen und neugierig werden.

Wie das Onboarding in deinem Verein aussehen kann, erkläre ich dir in meinem Blogartikel „Die 5 Schritte für eine starke Zusammenarbeit“. 

 

2. Was braucht die Zielgruppe?

Heute gehe ich immer in den Perspektivwechsel, wenn ich mich auf einen Vortrag oder Workshop vorbereite. Im Laufe der Jahre habe ich von zahlreichen Trainer*innen, Jugendleiter*innen und Vereinsfunktionäre erfahren, was sie bewegt und umtreibt. Dennoch frage ich zu jeder Veranstaltung nach, nutze die Umfrage, um herauszuhören, was genau die Gruppe braucht, mit der ich arbeiten werde. Wenn ich das weiß, kann ich sie richtig „abholen“, kann ihnen erklären, warum meine Impulse für ihre Arbeit wichtig sind und welchen Mehrwert sie schaffen. So schenken sie mir ihr Vertrauen und sind bereit, das neue Wissen in ihrem Alltag umzusetzen.

 

3. Veränderung braucht Geduld

Ich bin eh ein geduldiger Mensch und weiß, dass Veränderungen Zeit brauchen. Vor allem, wenn wir etwas Neues erlernen. Das beste Beispiel dafür ist das Erlernen einer fremden Sprache. In der Regel investierst du unzählige Stunden in Grammatik und Vokabellernen bis du dich in einfachen Sätzen unterhalten kannst und hast nicht den Anspruch, dass du nach 3 Doppelstunden fließend sprichst. Ausnahme: Du bist ein absolutes Sprachengenie und lernst mit dem Grammatikbuch unterm Kopfkissen im Schlaf :-).

Gleiches gilt ebenso, wenn du Eltern in deine Arbeit einbinden möchtest. Hast du ihnen beispielsweise zum ersten Probetraining ein Handout mit Basiswissen zum Fußball und ihren Aufgaben gegeben, setze bitte nicht voraus, dass sie schnurstracks umgesetzt werden. Einige Eltern sind vermutlich direkt dabei, andere brauchen ein bisschen zum Verinnerlichen und andere tun sich ungemein schwer.

Doch ist das ganz normal und sollte bitte nicht dazu führen, dass du die Flinte ins Korn wirfst. Mach dir klar, dass wir nicht alle erreichen werden. Den Anspruch habe ich in meiner Arbeit auch nicht. Doch die, bei denen uns das gelingt, sind wunderbare Multiplikatoren, wenn sie über ihre positiven Erfahrungen mit anderen reden.

 

Diese 3 Handlungsoptionen kannst du nutzen, wenn du gemeinsam mit deinem Verein in die Zusammenarbeit mit den Eltern gehen möchtest. Vor allem, wenn ihr ganz frisch startet und bisher noch keine Maßnahmen ergriffen habt.

Nur die wenigsten Eltern erfahren diese Form der Ansprache und Einbindung in Vereinen und Nachwuchsleistungszentren. In den meisten sind sie zwar Teil, ihre Unterstützungen im Fahr- und Wäschedienst sowie Kuchenspende werden gerne angenommen, jedoch erhalten sie darüber hinaus wenig Beachtung.

Besonders im Amateurfußball braucht es hier eine Zeitenwende. Die vorhandene Man- und Womanpower reicht in vielen Clubs nicht mehr aus, den Betrieb am Laufen zu halten. Wir wissen alle, dass sich die Strukturen ändern müssen. Doch bis das geschieht, möchte ich dich darin bestärken, mit den Möglichkeiten deines Vereins ins Tun zu kommen.

Nutze das Potenzial der Eltern, indem du sie ansprichst, informierst, ihnen transparent erklärst, wie und wo du ihre Unterstützung brauchst und welchen Mehrwert das für ihr eigenes Kind hat. So schaffst du die Basis für Vertrauen, Wertschätzung und eine Kommunikation zwischen euch auf Augenhöhe.

 

Mein Fazit:

Ich bin heute froh, dass mein erster Vortrag so schief gelaufen ist. Ich hätte sonst nicht die Erfahrungen gemacht, die nötig waren, um mich dahin zu bringen, wo ich heute bin. Und ganz ehrlich, danach gab es noch zahlreiche andere Momente, die nicht so waren, wie ich sie mir vorgestellt habe 🙂

Daher möchte ich dich dazu ermutigen, die Zusammenarbeit mit den Eltern zu beginnen, ihre Perspektive einzunehmen und herauszufinden, wie du ihnen helfen kannst, um in euer Team zu kommen. Hab nicht so hohe Erwartungen und gib euch beiden Zeit für die Veränderung. 

Was war dein Fuck up? Was ist bei dir mal so richtig in die Hose gegangen? Schreib mir gerne eine Mail oder nutze die Kommentarfunktion und ich freue mich, wenn du deine Erfahrungen mit uns teilst.