Wir müssen den Amateurfußball gemeinsam stärken
Ich habe unsere Veranstaltung „Trainer*innen überfordert? Wie wir sie stärken und unterstützen können!“, die im März in Berlin stattgefunden hat, mit einem Impuls eingeleitet. In ihm habe ich mich mit dem Thema Leidenschaft beschäftigt. Leidenschaft ist etwas, was wir schnell mit dem Fußball verbinden. Menschen, die sich leidenschaftlich dem Sport auf und neben dem Platz verschreiben, Fans, die leidenschaftlich ihre Mannschaft unterstützen und jede Entwicklung mitmachen …
Inspiriert hat mich die Antwort eines/einer Teilnehmer*in. Im Rahmen der Anmeldung stellen wir immer ein paar Fragen an die Teilnehmer*innen, um mehr über ihre Bedürfnisse und Herausforderungen im Vorfeld zu erfahren.
Und die Antwort einer Person auf die Frage „Was stellt dich vor die größte Herausforderung?“ war: „Immer gut gelaunt bleiben!“ Das hat mich überrascht, verwundert, aber auch berührt … Wenn die Rahmenbedingungen im Amateurfußball nicht optimal sind, vielleicht auch miserabel, dann immer gut gelaunt zu sein, halte ich für eine große Herausforderung. Und irgendwie hat mich diese Aussage nicht losgelassen.
Was sie mit Leidenschaft zu tun hat und warum sie mich an den ersten Trainer unseres Sohnes erinnert, erzähle ich dir in meinem heutigen Artikel.
Willst du lieber hören statt lesen? Dann findest du hier die dazugehörige Podcast-Episode:
Inhaltsverzeichnis
Der erste Trainer unseres Sohnes war Leidenschaft pur
Unser Sohn hat in den 13 Jahren, die er in den verschiedenen Fußballinstitutionen gespielt hat, viele Trainer kennengelernt und ich zum Teil auch. Sein erster Trainer war aber schon etwas Besonderes. Er war der, der ihm die Leidenschaft für den Sport vermittelt hat. Ein Trainer-Papa, der selbst immer noch regelmäßig gespielt und trainiert hat, der seinen Schichtdienst so gelegt hat, dass er die Jungs trainieren konnte, der mit ihnen gelitten hat und sich gefreut hat.
Der bei jedem Wetter mit den Jungs am Platz stand, der sich im Winter darum gekümmert hat, in welcher Halle sie trainieren können, der immer so pünktlich war, um das Training vorzubereiten, dass nie nur eine Sekunde zu spät losgelegt wurde, dem die Weihnachtsfeier heilig war und bereits im Sommer geplant wurde. Der sich nach einer Operation für die Zeit des Spiels aus dem Krankenhaus entlassen hat, um am Rand zu stehen.
Ja, er hat unserem Sohn die ersten „Schritte“ im Fußball beigebracht. Aber er hat noch so viel mehr getan. Er hat ihm gezeigt, was es heißt, im Team zu spielen, mit Spielern zusammen zu kicken, die nicht so gut waren wie der Rest der Mannschaft, wie wichtig Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit ist und wie nah Gewinnen und Verlieren liegen. Soziale Kompetenzen, die unseren Sohn heute in seiner beruflichen Welt zu einem Teamplaner machen, mit dem viele sehr gerne arbeiten.
Ich würde sagen, er war Leidenschaft pur und ist bei weitem kein Einzelfall, eher ein Normalfall …
Der Fußball wird immer mit dem Begriff Leidenschaft in Verbindung gebracht. Leidenschaft für den Sport, Leidenschaft für die Vereinsarbeit, Leidenschaft für das Trainerdasein, Leidenschaft, bereits in jungen Jahren auf dem Platz zu stehen, Leidenschaft als Fan, Leidenschaft für ….
Das braucht Leidenschaft
Wie leidenschaftlich jemand ist, hängt immer sehr von der Person ab und ist sehr individuell.
Einige Aspekte sind jedoch wichtig, damit man eine Leidenschaft für etwas entwickeln kann. Ich hab ein bisschen recherchiert und folgende Faktoren werden immer genannt:
- Interesse, Neugierde oder Begeisterung für ein Thema
- Bereitschaft Zeit, Energie, Kraft in etwas zu investieren, was man liebt oder einem Spaß macht
- emotionale Verbindung zu dem, was man tut
- sein Talent und seine Fähigkeiten für eine bestimmte Tätigkeit zu entdecken und dort hinein zu geben
- Lust sich Herausforderungen zu stellen, sich selbst dadurch zu verbessern und an ihnen zu wachsen
- die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten
- das Gefühl, dass das, was ich tue einen tieferen Sinn und Zweck hat
Schauen wir uns die Faktoren an, glaube ich, dass das auf viele Personen im Amateurfußball zutrifft.
Ohne intrinsische Motivation geht es nicht
Meines Erachtens ist aber noch ein weiterer Faktor wichtig, ohne den nichts freiwillig geht. Die intrinsische Motivation. Wir sprechen davon, wenn es um den inneren Antrieb einer Person geht, aus dem persönlichen Interesse, der Freude, der Befriedigung eines eigenen Bedürfnisses, etwas zu machen. Menschen, die intrinsisch motiviert sind, tun das, weil sie das Bedürfnis danach verspüren und von einem persönlichen Gefühl der Erfüllung angetrieben zu werden. OHNE Belohnungen wie Geld und Anerkennung.
Trainer*innen bringen die Leidenschaft und die intrinsische Motivation für ihren Job mit, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden und den Kindern und Jugendlichen, den Spieler und Spielerinnen zu ermöglichen, ihre Leidenschaft, nämlich das Fußballspiel, auszuleben. Vorstandsfunktionäre gehen oftmals an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, um den Verein „am Laufen zu halten“. Eltern versuchen Familie, Geschwisterkinder, Job, Schule unter einen Hut zu bekommen.
Alle EHRENAMTLICH, jeder auf seine Art und Weise und neben ihren eigentlichen Aufgaben wie Job, Studium, Ausbildung und Schule, Familie und Freunden.
Ohne diese Akteure – Vorstände, Trainer*innen und Eltern – im Kinder- und Jugendbereich, könnte der Amateurfußball nicht existieren und bestmögliche Voraussetzungen für die Aktiven schaffen.
Alle sitzen im gleichen Boot
In der Zeit Online erschien letzten Monat der Artikel „Außer uns macht es keiner“, in dem der Vorstandsvorsitzende des Sportverein TSV 1876 Nobitz über Herausforderungen, Ehrenamt, Übungsleiter*innen, Veränderungen in der Gesellschaft, Ehrenamtskoordinatoren, Schulsport u. ä. berichtet. Also, über all das, was viele Vereine in Deutschland umtreibt.
In den Kommentaren ist zu lesen, dass die Bedeutung des Amateursports und des Ehrenamtes gar nicht hoch genug einzuschätzen ist, Eltern sich „bessere“ Trainer für ihre Kinder wünschen, Vereine die Dienstleistungsansprüche vieler Eltern beklagen, eine Leser*in bemängelt, dass Vereine Mitglieder nicht über konkrete Mitarbeit informieren, Trainer*innen kurz davor sind ihren Job wegen Müttern hinzuwerfen, die ihnen „auf den Senkel“ gehen, Arbeitgeber ehrenamtliche Tätigkeiten nach der Arbeitszeit nicht immer akzeptieren, wenig auf die Bedürfnisse der Jugend eingegangen wird, mit fehlenden Ehrenamtlichen, die in Rente gehen, der Verein vor dem Ende steht, mehr Geld in den Breitensport fließen müsste u. a. für Integration und Gesundheit, Mitgliedsbeiträge steigen sollten, steigende Auflagen für viele Vereine nicht machbar sind …
Nur gemeinsam schaffen wir es
Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen und zeigt bei der Gemengelage, dass sich nicht nur der Verein oder die Vereinsfunktionäre, Trainer*innen und Eltern sowie diverse Verbände und Politik verändern und bewegen sollten.
ALLE müssen GEMEINSAM Möglichkeiten finden, wie der Amateursport mit den Herausforderungen umgehen und die Veränderungen einleiten kann.
Das kann nur gelingen, wenn wir gemeinsam in den Dialog gehen, mit einander reden, hören, was mein Gegenüber bewegt, erfahren, welche Idee mein Gesprächspartner umgesetzt hat, andere Blickwinkel zu lassen, unkonventionelle Lösungsansätze mitnehmen, offen für die Veränderung sind und uns bewusst sind, dass sich auch der Amateursport neuen Gegebenheiten anpassen muss.
Damit wir endlich davon wegkommen, dass früher alles besser war. Denn ganz ehrlich, früher waren viele Situationen einfach anders, die heute so nicht mehr passen oder schlichtweg nicht mehr vorhanden sind.
Die Basis weiß, was sie braucht
Zu diesen Schlüssen kamen auch die Teilnehmer*innen unserer beiden Veranstaltungen für Vorstände und Trainer*innen im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Ehrenamt im Amateurfußball stärken“. Dabei hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, von denen zu hören, die es betrifft. Nicht über ihre Köpfe vom Schreibtisch aus agieren, sondern mit ihnen zusammen und entsprechend ihrer Belange Handlungsoptionen zu überlegen und zu erarbeiten.
Gleichzeitig sollte die Erwartungshaltung nicht sein, dass uns sofort Lösungen vor die Füße fallen. Lasst uns vielmehr gemeinsam herausfinden, welche anderen, auch neuen Wegen gegangen werden können, wie wir uns gegenseitig stützen und unterstützen können und wie wir Handlungsoptionen niederschwellig für jeden möglich machen können. Ich glaube an die Selbstwirksamkeit und Eigenermächtigung eines jeden einzelnen und weiß, dass beides auch innerhalb der Vereine, Verbände, Politik und jedes Einzelnen wirkt. Meckern war gestern, lasst uns ins Tun kommen. Denn so wird ein Schuh daraus, mit dem die nächsten Schritte möglich sind.
Lasst uns ins Tun kommen
Genau das möchten wir in unserer letzten Veranstaltung „Fußballeltern: Das Team hinter dem Team – Wie ihr mit den Trainer*innen und Vereinsvorständen ins Zusammenspiel findet“ am 26. April 2024 in Berlin machen. Dieses Mal schauen wir auch explizit auf den Kinder- und Jugendfußball. Dazu möchten wir auch wissen, was Eltern bewegt und laden sie ebenso ein wie Trainer*innen und Vorstände. Gemeinsam mit allen möchten wir in den Austausch gehen, nutzen die Workshop-Methode des World Café um zu erfahren, was jeden beschäftigt, wozu er/sie ins Gespräch gehen möchte, erfahren so mehr über die verschiedenen Perspektiven des Einzelnen, lernen uns kennen und damit besser verstehen und werden am Schluss alle mindestens einen Impuls mitnehmen, der uns inspiriert und den wir im besten Fall umsetzen können.
Die Veranstaltung findet von 16:00-20:00 Uhr in der Sportschule des Landessportbundes Berlin am Südkreuz statt und über diesen Link kannst du dich anmelden.
Solltest du nicht an der Veranstaltung teilnehmen können oder du möchtest deine Fragen, Erfahrungen, Herausforderungen, Gedanken und Impulse nicht öffentlich äußern, kannst du sie mir gerne per Mail schicken. Ich nehme sie dann gerne mit nach Berlin und werde sie dort einbringen.
Was ist deine Motivation dich ehrenamtlich zu engagieren? Schicke mir gerne eine Mail und ich bin gespannt auf deine Antwort …
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