Wie du schwierige Gespräche gelassen führen kannst

 

Die Saison geht langsam zu Ende und vermutlich ist es für viele Spieler*innen bereits klar, wie und wo es weitergeht. Andere warten vielleicht noch auf die Entscheidung, ob sie im Verein bleiben, in die nächsthöhere Mannschaft wechseln werden oder welche Perspektive sie für die kommenden Monate haben. 

Ich erinnere mich daran, dass es unserem Sohn vor dem Wechsel in die B-Jugend so ähnlich erging. Er konnte auf Grund eines Muskelfaserrisses von Oktober bis Januar nicht spielen und dementsprechend seine Leistungen nicht zeigen. Seine Mitspieler wussten bereits Anfang des Jahres, ob sie bleiben oder gehen. Joshua war der einzige, bei dem die Entscheidung noch offen war. Und das seit 3 Monaten. Ihn und uns hat das damals sehr gestresst, drehte sich für unseren Sohn doch alles um dieses Thema. Mein Mann war ebenso emotional involviert wie er. Ich sah meine Aufgabe darin, die Balance in der Familie wiederherzustellen, dafür zu sensibilisieren, dass es nicht in unserer Macht liegt und wir Joshua unterstützen, egal wie es ausgehen wird.

Gerade dieses Warten ist neben den Spieler*innen auch für einige Eltern schwer zu ertragen und sie nutzen jede Möglichkeit, um bei dir nachzufragen und sich Klarheit zu verschaffen. Schnell können diese „zwischen Tür und Angel“-Gespräche emotional werden. Eltern möchten ihr Bedürfnis nach Entspannung, Entscheidung und Sicherheit befriedigt haben und du bist im Gegensatz zu ihnen in diesem Moment auf den Dialog nicht vorbereitet. Ein Gespräch auf Augenhöhe, objektiv und vor allem zielgerichtet geführt, ist dann extrem schwer.

 

In meinen neuen Blogartikel möchte ich dir zeigen, 

  • wie du in so einer Situation reagieren kannst, die dich immer wieder „kalt“ erwischt
  • wie du dich auf ein Übernahmegespräch oder Perspektivgespräch optimal vorbereiten kannst
  • was du für die nächste Saison präventiv machen kannst, um solchen oder ähnlichen Gesprächen frühzeitig den „Wind aus den Segeln“ zu nehmen

Willst du lieber hören statt lesen? Dann findest du hier die dazugehörige Podcast-Episode:

 

Und für die, die sich fragen, wie es bei uns ausgegangen ist … Unser Sohn bekam im April seinen Vertrag für die B-Jugend.

Um das Verhalten von Eltern besser zu verstehen, möchte ich nochmals daran erinnern, dass die meisten das Beste für ihr Kind wollen. Da wir alle Individuen sind, interpretiert jede(r) „das Beste“ auf seine persönliche Weise. Viele Eltern reagieren empfindsam, wenn es um ihr Kind geht. Die meisten wünschen sich, dass der Nachwuchs glücklich, gesund und meist erfolgreich sein soll und einige tun auch alles dafür, damit genau das eintritt. Sie gehen oftmals mit einem klaren Ziel in das Gespräch, um eine Lösung herbeizuführen, die für sie in diesem Moment gewünscht und stimmig ist. Das führt häufig dazu, dass euer Miteinander schnell emotional wird/werden kann. 

Die nachfolgenden Impulse und Handlungsempfehlungen kannst du …

  • präventiv einsetzen, um Eltern frühzeitig Informationen zu geben, sodass sie den Sport, deine Arbeit und Entscheidungen besser verstehen.
  • in der Situation anwenden, um für Entspannung zu sorgen.
  • nutzen, um gemeinsam eine Lösung zu finden.

 

1. Situativ

Mit diesen Methoden kannst du ein bisschen Ruhe und Entspannung in ein schwieriges Gespräch hineinbringen:

Atmen

Auch wenn es sich belanglos anhört und wir automatisch atmen, hilft es, in einer angespannten Situation mehrmals bewusst ein- und auszuatmen. Denn sind wir gestresst, begibt sich der Körper in den Flucht- und Kampfmodus: Das Herz klopft schneller, Muskeln spannen sich an, Blutdruck und Atemfrequenz steigt. Tief in  den Bauch atmen vermittelt dem vegetativen Nervensystem, dass alles okay ist, es keinen Anlass für Stress gibt und Herz und Blutdruck sich beruhigen können.

Gleichzeitig verschafft du dir damit eine kleine Pause, in der du für dich entscheiden kannst, wie das Gespräch weitergehen wird/soll.

 

Zuhören

Beschäftigt uns etwas, wollen wir etwas unbedingt loswerden, dann lassen wir uns meist nicht dadurch stoppen, dass uns unser Gegenüber sagt, dass er jetzt nicht will oder kann. Das führt eher dazu, dass wir noch vehementer werden. Ist das, was raus will, ausgesprochen, fühlen wir uns meist schon besser, weil wir es sagen durften und wir uns im optimalen Fall auch gehört fühlen. Vielen reicht das bereits aus.

Es ist wichtig, erst einmal zuzuhören und wahrzunehmen, was das Bedürfnis hinter dem Gespräch ist und Rückfragen zu stellen, falls du etwas nicht verstanden hast, was dir das Elternteil erzählt. Vielleicht kannst du auch den Perspektivwechsel zur Hilfe nehmen und so die Sichtweise der Eltern ein- und wahrnehmen, um was es ihnen geht. Das aktive Zuhören bedeutet nicht, dass du weiter/tiefer ins Gespräch einsteigst, sondern gibt dir die Möglichkeit, dass Thema zu fassen und deinen Wunsch zu äußern: Du hast verstanden, um was es deinem Gegenüber geht und möchtest auf Grund der Wichtigkeit gerne einen Termin zu einem weiterführenden Gespräch vereinbaren, da dir aktuell nicht alle Informationen, die du benötigst, vorliegen und du dich bestmöglich darauf vorbereiten möchtest. Damit signalisiert du, dass du das Gesprächsthema würdigst, dein Gegenüber wertschätzt und offen für den weiteren Dialog bist, den du jedoch in der Hand hast.

 

Körpersprache

Wir kommunizieren nicht nur verbal über Schrift und Sprache, sondern auch nonverbal und paraverbal z. B. über Körperhaltung, Gestik, Stimmlage, Lautstärke, Wortwahl und Tonfall.

Vielleicht gelingt es dir, dass du in einem stressigen Moment mal „von außen“ auf dich schaust. Wie stehst du? Breitbeinig im Angriffsmodus, hängende Schulter oder offen deinem Gesprächspartner zugewandt? Hast du die Arme vor der Brust verschränkt oder hängen sie entspannt entlang deines Oberkörpers? Bewegst du viel und hektisch deine Hände beim Reden oder nutzt du sie eher, um dein Gesagtes zu unterstreichen? Bleibst du in deiner Fußball-Fachsprache oder gehst du auf dein Gegenüber ein und verwendest Worte, die er/sie verstehen kann? Sprichst du lauter als üblich oder gelingt es dir, in deiner gewohnten Tonlage zu bleiben? Mit diesen Beispielen möchte ich dir verdeutlichen, dass sie auch die Art und Weise der Gespräche beeinflussen und etwas mit uns machen.

InsNetzgegangen_Jugendfußball_Kommunikation©Canva

Auch den Trainer*innen, die wenig oder gar nicht mit Eltern sprechen, sollte bewusst sein, dass sie mit ihnen kommunizieren. Denn das Verhalten von Ignoranz, fehlender Anerkennung, Wertschätzung und Teilhabe löst etwas bei den Eltern aus und ist auch eine Form der Kommunikation. Wie der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick sagte: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ 

 

2. Lösungsorientiert

Um zu einer zukunftsfähigen Lösung zu kommen, braucht es Klarheit und die Bereitschaft zur Gemeinsamkeit. Beides ist am ehesten möglich, wenn sich die Emotionen beruhigt haben und beide Parteien über die Informationen verfügen, die zur Klärung hilfreich sind und damit in einen Austausch gehen. 

 

Vorbereitung

Je sicherer du dich fühlst, desto souveräner kannst du das Gespräch mit den Eltern führen. Dafür ist eine gute Vorbereitung unerlässlich. Die nachfolgenden Fragen helfen dir dabei. Hier kannst du sie dir auch nochmal als Checkliste herunterladen.

  • Was ist der Auslöser für das Gespräch?
  • Was möchtest du mit dem Austausch erreichen?
  • Was soll am Ende herauskommen?
  • Was hilft dir dorthin zu kommen?
  • Welche Informationen, Fakten, Zahlen brauchst du?
  • Wer kann dich in der Vorbereitung und/oder im Gespräch unterstützen?
  • Was ist der Mehrwert für die Eltern, ihr Kind und dich?Was kann im schlimmsten Fall geschehen?

InsNetzgegangen_Jugendfußball_Kommunikation©Canva

Unterstützung

Wenn du dich noch nicht so sicher im Umgang mit den Eltern fühlst, ist das kein Grund, auf Elterngespräche zu verzichten. Suche dir Unterstützer*innen, mit deren Hilfe du dich vorbereiten kannst und von deren Erfahrungen du profitieren kannst. Frag, wie sie es machen, welche Erkenntnisse sie dir mitgeben können, mit welchen Vorlagen oder Dokumenten sie arbeiten und welche sie dir zur Verfügung stellen. Denn das Rad muss nicht immer neu erfunden werden. Schau, wer dich im Gespräch begleiten kann. Das kann ein erfahrener Kollege oder die Jugendleitung sein, vielleicht habt ihr auch eine Elternvertretung im Verein, die als Bindeglied fungieren kann. Gerade wenn Eltern zu zweit zum Termin kommen, finde ich eine Ausgewogenheit auf beiden Seiten hilfreich.

 

Verschriften/Reflexion

Gesprächsnotizen zu machen, die wichtigsten Fakten festzuhalten und Ergebnisse zu verschriften, bieten den Gesprächspartnern Klarheit. Inhalte lassen sich nachlesen, können zu weiteren Terminen als Reminder genutzt werden und Missverständnisse lassen sich vermeiden. Gleichzeitig solltest du auch deine Reflexion des Dialogs verschriften, sodass du auf sie für die Vorbereitung weiterer zurückgreifen kannst.

 

3. Präventiv

Am Beispiel der Übernahmegespräche möchte ich dir 3 Tools nennen, mit deren Hilfe du Eltern bereits frühzeitig zum Thema informieren kannst. 

 

Elternabend

Am 1. Elternabend zu Beginn der Saison kannst du erwähnen, wann und wie die Übernahmegespräche ablaufen werden. Sie haben zu dem Zeitpunkt noch nicht so eine Wichtigkeit, Eltern wissen dadurch jedoch Bescheid. Gleichzeitig kannst du bei den ersten Gesprächsversuchen auf die Info aus der Veranstaltung verweisen. Nach der Winterpause im 2. Elternabend steht das Thema meist im Mittelpunkt. Hier solltest du sehr klar und transparent über Zeitrahmen, Ablauf und Form des Gesprächs aufklären und hinhören, was die Eltern für Fragen haben. Denn die Antworten und Infos kannst du in einem Handout zusammenfassen.

 

Handout

Ich benutze ein Handout als einen Einseiter, auf dem kurz und knapp wichtige Infos zusammengestellt sind. Es kann angepasst, überarbeitet und aktualisiert werden und ist für meine Arbeit ein sehr hilfreiches Dokument, das mitwächst. 

Du kannst ein Handout überall dort nutzen, wo du Eltern schriftlich informieren möchtest.

Das kann …

  • als Download auf der Elternseite der Vereinshomepage sein
  • im Erstgespräch und/oder Elterngespräch ausgehändigt werden
  • dem Mitgliederantrag anhängt werden
  • im Elternabend verteilt werden
  • per Mail verschickt werden

 

Sprechstunde

Um die „zwischen Tür und Angel“-Gespräche zu reduzieren, ist das Einrichten einer Sprechstunde sinnvoll. Die Eltern erhalten zu einem von dir vorgegebenen Zeitpunkt die Möglichkeit, mit dir zu sprechen. Du hast es in deiner Hand, kannst über kostenlose Kalendertools Termine freigeben und die Terminvergabe läuft automatisiert ohne dein Zutun. Vielen Eltern hilft das Angebot von weiteren Dialogen abzusehen. Die, denen das (noch) nicht gelingt, kannst du auf deine Sprechstunde hinweisen. Wichtig für eine gelungene Umsetzung ist, dass du die Eltern über das Angebot informierst und ihnen erklärst, warum du sie einführen möchtest und was der Mehrwert für sie und für dich ist.

 

Fazit:

Je früher du die Eltern kommunikativ abholst und sie informativ in deine Arbeit einbindest, desto besser schaffst du eine Basis, auf der schwierige Gespräche gelassener geführt und im besten Fall reduziert werden. Dabei hilft es dir auch, die Perspektive der Eltern einzunehmen und zu erkennen, dass es wenig zielführend ist, den Dialog zu verneinen und direkt in eine Abwehrhaltung zu gehen. 

Ich wünsche dir viel Spaß beim Ausprobieren und habe Geduld mit dir und den Eltern.

Hast du für dich Methoden gefunden, mit denen du Übernahmegespräche gelassener führst? Schicke mir gern eine Mail und verrate mir deine Erkenntnisse.