Mein Sohn ist Schuld 🙂
Seit November 2019 gibt es meinen Podcast. In ihm spreche ich über Themen rund um die Kommunikation im Kinder- und Jugendfußball. Mal mit Gästinnen, die meiste Zeit jedoch alleine. Jetzt geht die 100. Folge online. Und ja, ich bin selbst überrascht, dass ich noch immer so viel zu sagen habe. Denn ganz ehrlich … Zu Beginn fiel es mir schwer, Themen zu finden. Wenn ich eins hatte, habe ich meist viel zu weit ausgeholt, zu viele Aspekte in einer Episode beleuchtet und meine Zuhörer*innen eher „erschlagen“. War mir selbst oft zu viel. Mittlerweile habe ich gelernt, über die Inhalte kurz und knackig zu sprechen und finde immer wieder Themen, die es wert sind, dass über sie gesprochen wird.
Wenn ich darüber nachdenke, wie ich meine erste Podcast-Episode produziert habe – damals hat Karin Plötz von der LitCam ein Interview mit mir geführt und ich habe mit ihr darüber gesprochen, was dich in meinem Podcast erwarten wird – kommen direkt auch Gedanken auf, wie überhaupt alles angefangen hat, was der Einstieg in dieses Arbeitsumfeld war, warum ich mich mit der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Trainer*innen/Verein und Spielereltern beschäftige.
Also habe ich mich dazu entschieden, genau darüber in meiner aktuellen Episode zu sprechen. In ihr gehe ich zu dem ein oder anderen Punkt mehr in die Tiefe, erzähle die ein oder andere Anekdote, vertiefe mein Erkenntnisse und Learnings. Du als Leser*innern erhältst in diesem Blogartikel eine Zusammenfassung, mehr würde sonst das Blogformat sprengen und ich lade dich ein, dir das „Mehr“ in der Episode abzuholen.
Willst du lieber hören statt lesen? Dann findest du hier die dazugehörige Podcast-Episode:
Inhaltsverzeichnis
Unser Sohn will in den Verein
Los ging alles mit unserem Sohn und seiner Leidenschaft. Bereits als 3-jähriger trug er viel zu große Torwarthandschuhe, hatte seine ersten Fußballschuhe und ein Trikot, das ihm bis zu den Knien ging. Von den Großvätern wurde er gerne mit dem aktuellen Trikot des 1. FC Kölns und der Girondisten aus Frankreich ausgestattet. Bei Wind und Wetter wurden seine Freunde und die Freundinnen unserer Tochter dazu verdonnert, mit ihm zu kicken – egal, ob sie wollten oder nicht.
Zu der Zeit habe ich mich strikt geweigert seinem Wunsch nachzugeben und ihn in einem Fußballverein anzumelden. Warum? Weil ich Fußball langweilig fand, mich nicht als Mutter sah, die die Nachmittage neben dem Fußballplatz verbringt und keine Lust auf ein Vereinsleben hatte. Doch ganz habe ich den Fußballwunsch nicht ignoriert. In den Oster- und Sommerferien hat Joshua Fußball-Camps besucht, in denen er eine Woche jeden Tag mit anderen Kids und tollen Trainern gekickt hat. Mein Gedanke dahinter war, dass damit sein Bedürfnis nach Fußball befriedigt wird und der Vereinswunsch abnimmt.
Die, die mir schon länger folgen, wissen, dass sich das nicht erfüllt hat. Nach all den Jahren sage ich ganz ehrlich: Zum Glück! Denn unser Sohn hat in mehr als 13 Jahren Fußball seine Leidenschaft ausgelebt und so viel fürs Leben neben dem Platz erlernt, was mein Mann und ich alleine nie geschafft hätten ihm zu vermitteln. Heute weiß ich, dass ein Mannschaftssport Kinder und junge Menschen an soziale Kompetenzen heranführt, er unterstützt Integration, Bildung und Chancengerechtigkeit, schafft Gemeinschaft, ist Motor für Entwicklungen, Steigbügel in der Sozialarbeit, hilft Demokratie zu verstehen und zu leben und vieles mehr.
Im Juni 2005, als unser Sohn sich über den Vater seines Schulfreundes ein Probetraining selbst besorgte und genommen wurde, war es für mich nun ein Sport, mit dem ich mich anfreunden musste. Meine Hoffnung, Joshua sucht sich nach einem Jahr ein anderes Hobby, wurde nicht erfüllt. Er hat in Vereinen, Fußballschulen und ab der C-Jugend in Nachwuchsleistungszentren (NLZ) gespielt und blieb dem Fußball mehr als 13 Jahre treu. Mein Mann, unsere Tochter und ich damit auch. Ja, es ist der Sport unseres Sohnes, doch es ist ein Trugschluss, dass wir als Eltern oder die Geschwisterkinder nicht unterstützen bzw. zurückstecken müssen.
Anfangs war es der Wäsche- und Fahrdienst zum Training und den Spielen. Joshua und ich hatten die Verabredung getroffen, dass ich ihn hinbringe und wieder abhole, jedoch nicht beim Training zuschaue. Daher ist es mir zu der Zeit noch gelungen, auch unserer Tochter zeitlich gerecht zu werden. Doch mit zunehmendem Alter und Wechsel in andere Fußballinstitutionen wurden meine Aufgaben immer mehr. Ich musste mir Wissen und Informationen besorgen, um ihn als Physiotherapeutin, Ernährungsberaterin, Motivationstrainerin, Zeitmanagerin und einiges mehr zu unterstützen. Und war dennoch immer auch Mutter, die sich mit ihm gefreut und gelitten und viele Tränen getrocknet hat.
Das NLZ verändert alles
Denn spätestens mit dem Eintritt in das erste NLZ wehte ein anderer Wind. War es bis dahin noch spielerisch und durch den Ehrgeiz unseres Sohnes geprägt, sahen wir uns jetzt einer Welt gegenüber, die wir überhaupt nicht kannten und verstanden. Nicht nur, dass die Trainingsintensität stieg, sondern auch der Fokus auf den Sport änderte sich. Natürlich sollte die Schule Priorität haben, doch sah das im Alltag ein bisschen anders aus. Und damit auch unser Familienleben. Es richtete sich nun größtenteils nach Trainings- und Spielzeiten, Urlaube, vielmehr Auszeiten wurden danach gelegt und unsere Tochter hat sich und ihre Bedürfnisse oftmals hinten angestellt. Damals nicht so bewusst, sehe ich nun mit dem zeitlichen Abstand, wie sie ins Hintertreffen geraten ist. Etwas, was sie mit anderen Geschwisterkindern, von denen eins einen Leistungssport betreibt, gemeinsam hat.
Auf diese unbekannte, aber auch spannende Welt hätte ich mich gerne vorbereitet. Ich hätte mir gewünscht, dass uns die Verantwortlichen und Trainer mehr mit Informationen zum Sport, den Anforderungen an unseren Sohn und an uns sowie Ansprechpartner*innen und Unterstützungsmöglichkeiten versorgt hätten. Denn ich war mit solchen Fragen beschäftigt, wie zum Beispiel: Wie schaffen wir den Spagat zwischen Fußball und Schule? Wieso nehmen Trainerentscheidungen meist wenig Rücksicht auf die Familie? Wie gehe ich mit körperlichen und seelischen Verletzungen unseres Sohnes um?
In diesem Moment habe ich nach einem Fachbuch gesucht, das mir diese Fragen und viele mehr beantworten würde und aus der Sicht einer Mutter oder eines Vaters geschrieben ist, die/der in der gleichen Situation ist wie ich: ein Kind zu haben, dass in einem Sport einsteigt, den man selber nicht kennt und dessen Umfeld einem unbekannt ist.
Ich habe keins gefunden und habe damals beschlossen, selbst eins zu schreiben, das 2017 erschienen ist: Ins Netz gegangen Mein Leben mit einem Nachwuchskicker zwischen Schulbank und Torjubel.
Ich schreibe mein Buch
Falls du es noch nicht kennst, hier ein kurzes SumUp: In einem persönlichen Erfahrungsbericht beschreibe ich die Entwicklung unseres Sohnes über zehn Jahre von der F-Jugend bis zur B-Jugend-Bundesliga, meine eigene Veränderung und meinen Umgang mit ungewohnten Herausforderungen sowie die Höhen und Tiefen des Ballsports.
Damit möchte ich Eltern einen Einblick in die Fußballwelt geben, ihnen zeigen, welche Herausforderungen auf sie zukommen können und Impulse liefern, wie sie mit diesen umgehen können. Gleichzeitig zeige ich Verantwortlichen in Vereinen und Trainer*innen, welche Auswirkungen ihre Fußballwelt auf den Spieler, seine Familie und sein Umfeld haben und ermögliche ihnen die Perspektive zu wechseln und Eltern und ihr Verhalten besser zu verstehen und einzuordnen.
Meine Erfahrungen sind die Basis meiner Arbeit
Doch bis ich meine Erkenntnisse teilen konnte, lag noch ein Weg vor uns, für den wir uns Unterstützung von außen geholt haben. Markus, ein ehemaliger Trainer und damaliger Mitarbeiter meines Mannes, wurde Joshuas Mentor. Mit ihm konnte er seine Gedanken teilen, bei ihm konnte er seinen Frust und Ärger loswerden, mit ihm konnte er Erfolge feiern und die beiden sind durch dick und dünn miteinander gegangen. Für meinen Mann war er der perfekte Ansprechpartner, wenn unser Sohn mal wieder verletzt war, und er sich sorgte und wissen wollte, wie es weitergeht. Mir hat er alle meine Fragen beantwortet, die sich mir immer wieder zahlreich stellten und gemeinsam haben wir Joshua durch seine Fußballzeit begleitet.
Doch war mir klar, dass einen „Markus“ nicht jede Familie hat und viele Aufgaben, die er übernommen hat, „eigentlich“ beim Verein und dem Trainerteam liegen. Ich habe zumindest schnell gelernt, dass ich mit dem entsprechenden Wissen und Informationen viel leichter mit Herausforderungen umgehen kann. Zu wissen, dass zum Beispiel die Vorbereitungszeit extrem wichtig ist und der Urlaub drumherum gelegt werden soll, hat in unserer Familie für Entspannung gesorgt. Jahrelang sind wir zwar nicht mehr zu viert verreist, doch in verschiedenen Konstellationen hat jeder Urlaub machen können. Warum erhalten Eltern diese Infos zu Ferien, Feiertagen und Urlauben und den Umgang mit diesen nicht bei Eintritt in die Mannschaft?
Eltern sind so wichtig im Fußball bzw. Sport: Im Amateurfußball unterstützen sie nicht nur ihr eigenes Kind, sondern sind auf Grund des Ehrenamtes eine wichtige Stütze, ohne die Mannschaften und Vereine schwer bis gar nicht funktionieren würden. Im Leistungssport sind sie die wichtigste Person für ihr Kind und ausgestattet mit dem richtigen Wissen, begleiten sie es kompetent und sicher.
Ich weiß aus eigener Erfahrungen und durch meine Arbeit,
- dass Eltern zu kompetenten Partnern für ihr eigenes Kind und auch für die Trainer*innen und den Verein werden, wenn sie mit entsprechenden Informationen versorgt werden.
- dass Eltern Vertrauen zu dir aufbauen, wenn sie wissen, was, wie und wo ihrem Kind im Sportumfeld begegnen wird.
- dass du mit Eltern Konflikte vermeiden kannst, wenn ihr beide zu Beginn eure Erwartungshaltung klärt.
- dass Eltern dich und deine Arbeit wertschätzen können, wenn sie dich und deine Aufgaben kennen.
- dass du mit Eltern eine Beziehung aufbauen kannst, wenn sie eine Sichtbarkeit und Anerkennung erhalten, z.B. über eine Elternseite auf deiner Homepage
- dass die Zusammenarbeit mit Eltern entspannt ist, wenn du sie als ebenso wichtig erachtest wie dich selbst im Kinder- und Jugendfußball. Denn ohne euch können die Kinder und Jugendlichen ihren Sport nicht ausleben.
Mein Business war geboren
Diese Erfahrungen und Erkenntnisse waren der Startschuss für meinen beruflichen Weg in der Fußballwelt!
Damals hatte ich neben meiner Tätigkeit als Fernsehproducerin und Journalistin bereits eine Ausbildung zum systemischen Coach abgeschlossen, die ich mit der Ausbildung zur Mediatorin ergänzte. Mein Fachwissen bündele ich seitdem mit meinem Erfahrungswissen aus mehr als 13 Jahren Fußballbegleitung unseres Sohnes und gebe so der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Trainer*innen und Spielereltern, Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit. Ich zeige, dass bereits mit einfachen Impulsen ein Miteinander und die Basis für eine wertvolle Zusammenarbeit entstehen kann.
Vor der Buchveröffentlichung und während ich noch mit dem Lektorat beschäftigt war, habe ich gemerkt, dass ich noch viel mehr zu diesem Thema zu sagen habe. So ist im Februar 2016 mein Blog online gegangen, auf dem seither alle 2 Wochen, außer in meinen Auszeiten, ein Artikel erscheint.
Jeder Verein ist individuell
Ich habe mir langsam, aber stetig ein kleines Netzwerk aufgebaut, das immer größer wird. Ich vernetze mich mit Menschen aus der Fußballwelt, gebe Interviews auf den verschiedenen Fußballplattformen, für Zeitschriften, Zeitungen und Hörfunk, bekomme durch meinen Blog und Podcast Sichtbarkeit und meine Vorträge und Workshops stärken meine Expertise.
Im letzten Monat bin ich neben Daniel Jensen, Viktoria Schnaderbeck, Svenja Huth und Sven Schimmel von LinkedIn zu Top Voices Sport 2024 ausgezeichnet worden.
Kurz nach Erscheinen meines Buches bekam ich erste Anfragen von Vereinen zu Buchlesungen in deren Umfeld ich erste Vorträge zur Elternkommunikation für Trainer*innen gehalten habe.
Einladungen zu Podiumsdiskussionen und Panels folgten, das Projekt „Jugend-Trainer-Stärken“ der DFL Stiftung in Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung war der Einstieg in die Workshoparbeit, Vorträge kamen hinzu, ich habe meine Angebote „In 4 Wochen zur Elternseite auf deiner Homepage“ und „Elternabend perfekt planen“ entwickelt und habe erstmalig im letzten Jahr zusammen mit Gerd Thomas von FC Internationale Berlin mein erstes Förderprojekt konzipiert.
Ich habe im April das erste Mal die Seite gewechselt und eine Veranstaltung zum Thema Integration, Bildung und Chancengerechtigkeit im und durch den Fußball moderiert. Über die Jahre haben sich tolle und wertschätzende Zusammenarbeiten mit vielen tollen Persönlichkeiten, Vereinen, Verbänden und Landesverbänden aus dem Fußball und anderen Mannschaftssportarten, Fußballinstitutionen wie DFB, DFL und DFL-Stiftung und Kooperationen mit Sportorganisationen entwickelt.
Ich bin dankbar, dass ich Menschen aus und neben dem Sport habe, die mich unterstützen, mit denen ich mich austausche und die genauso viel Spaß und Leidenschaft haben, Dinge zu verändern, dass ich so wertschätzende Leser*innen und Höher*innen habe, die alle 2 Wochen meinen Podcast hören und die Artikel auf meinem Blog lesen.
Das Tal der Tränen
So geradlinig, wie sich das liest, waren die letzten Jahre jedoch gar nicht. Ich habe viele Tränen vergossen und Federn gelassen, wenn ich wieder vor Wände gelaufen bin, Kommunikationskonzepte von Fußballorganisationen mit der Begründung abgelehnt wurden, dass man mich noch nicht kennt, meine Angebote nicht die Teilnehmerzahlen hatten, die ich mir erhofft hatte, mir wieder mal ein(e) Ansprechpartner*in fehlt, weil es kaum jemanden gibt, der das gleiche Portfolio hat oder mein erster Impulsvortrag komplett in die Hose gegangen ist.
Vor allem während der Pandemie, als alles nur noch online ging und alle meinten, dass Online das neue Businessmodell ist, bin ich auf dem Zahnfleisch gegangen. Redaktionspläne für SoMe erstellen, regelmäßiges Posten, Produkte entwickeln, die sich selbst verkaufen und durchzuführen sind, Testpersonen finden, immer das Gefühl zu haben, die anderen sind erfolgreicher, sich mit Techniken anfreunden, obwohl ich nicht technikaffin bin … Es war Stress pur und hat wenig Spaß gemacht. Und gerade Letzteres war schon immer der Motor für mein Tun.
Irgendwann habe ich gemerkt, dass Online Business nicht meine und die Welt meiner Zielgruppe ist. Ich mag es, online zu arbeiten, wenn es sich anbietet. Zum Beispiel das Online-Webinar für den Bayerischen Fußball-Verband, dass wir nun bereits im 3 Jahren veranstalten und zu dem sich 120 Teilnehmer*innen anmelden. So viele würde man nie an einen Ort bekommen, online ist das jedoch easy machbar. Gleichzeitig liebe ich es, mit Menschen in einem Raum zu sein, gemeinsam Dinge zu erarbeiten, zu spüren, welche Bedürfnisse sie haben.
Die Kombination beider Welten – online und offline – schätze und brauche ich für meine Arbeit. Seit ich das für mich begriffen habe, habe ich viele Dinge über Bord geworfen und arbeite heute so, wie es für mich und meine Kunden passt. Ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit ist die Individualität. Denn Verein ist nicht gleich Verein. Jeder meiner Auftraggeber erhält von mir das, was passt und sinnvoll ist, damit das, was gewünscht ist, auch erreicht wird.
So habe ich in den letzten Jahren viele Menschen im Kinder- und Jugendfußball für die Elternarbeit sensibilisieren können und sie dabei begleiten dürfen, eine wertvolle und entspannte Zusammenarbeit zu entwickeln. Denn das Dreieck Eltern – Sportler*in/Kind – Trainer*in/Verein findet sich überall dort, wo diese drei Parteien aufeinander treffen und kommt auch in anderen Mannschaftssportarten zur Geltung.
Vielleicht macht es auch mein Alter, aber ich bin demütig und geduldig geworden.
Ich lebe das afrikanische Sprichwort: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!
In diesem Sinne freue ich mich jeden Tag, so eine tolle Arbeit machen zu dürfen und bin gespannt auf das, was noch alles kommen wird.
Unser Sohn hat dem Fußball vor 6 Jahren den Rücken gekehrt. Es war von dem Moment an, als er in seinen ersten Verein eingetreten ist, klar, dass er entscheiden wird, wie lange er dabei bleibt. Denn es war sein Sport, es ging um ihn und seine Bedürfnisse und nicht um meine oder die der anderen Menschen um ihn herum. Es gab nur einen Deal zwischen uns beiden: er kann keine Mannschaft mitten in der Saison verlassen, nur weil er keine Lust hat. Er hat die Verantwortung seiner Mannschaft und seinem Trainer gegenüber und sie verlassen sich aufeinander.
Letztendlich waren es verschiedene Faktoren, die dazu geführt haben und es war ein Prozess. Er war weder verletzt noch vereinslos. Es war mehr die Erkenntnis, dass die Profiwelt mit einem „normalen“ Leben schwer zu verbinden ist. Wir sind mit unseren Kindern viel und früh gereist. Etwas, was er mehr machen wollte, durch den Sport jedoch immer eingeschränkt wurde. Er wollte Praktika machen, sich beruflich orientieren. Etwas, was in Trainingseinheiten, die teils Vormittags und Nachmittags ab 16.00 Uhr liegen, schwer integriert werden kann, wenn man nicht Unternehmen und Vereine hat, die beides unterstützen. Er wusste aus den letzten Jahren und den zahlreichen Verletzungen, dass er sich neben dem Vereinsfußball sehr um seinen Körper kümmern muss, zusätzliches Athletiktraining, regelmäßige Physio, fußballgerechte Ernährung etc. waren und wären sein täglich Brot weiterhin gewesen. Er hatte zu dem Zeitpunkt eine ältere Freundin, deren Leben und Lebensmittelschwerpunkte anders aussahen. Und 13 Jahre gespickt mit tollen Erlebnissen, aber auch vielen Entbehrungen waren genug.
Es war von allem etwas, was dazu geführt hat, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen. Für meinen Mann war es nicht leicht, hatte Joshua Talent und zwei Mal die Möglichkeit in den Profifußball zu wechseln. Doch ein Partywochenende auf Malle kurz vor dem Laktattest war nicht clever. In der Rückbetrachtung war unserem Sohn klar, dass das das Aus bedeuten würde und er damals nicht mehr so brannte wie die Jahre davor. Ich glaube, er hat es da bereits gefühlt, konnte es jedoch noch nicht in Worte fassen. Gleichzeitig war mein Mann auch erleichtert, dass nun die Zeit der Verletzungen ein Ende hat. Für ihn waren diese Phasen schwer zu ertragen, hat er doch immer sehr mitgelitten und konnte die Unsicherheit schlecht aushalten.
Ich konnte einerseits unseren Sohn verstehen, dass er dieses extrem strukturierte Leben mit vielen Einflüssen von außen nicht mehr prickelnd empfand. Andererseits war ich überrascht, dass er das, für das er so lange wirklich ALLES gegeben hatte, aufhören wollte. Ich habe aber auch verstanden, dass für ihn ein neuer Lebensabschnitt anfing, in dem der Fußball keine Priorität mehr hatte. Ich habe gehofft, dass Joshua sich gut aus dieser Welt verabschiedet, sich und uns später keine Vorwürfe macht, warum er nicht doch geblieben ist. Nach dem Motto: Hätte, hätte Fahrradkette …
Meine Hoffnung hat sich bestätigt.
Er ist dankbar, seine Kindheit und Jugend mit dem verbracht haben zu können, was er bis heute immer noch sehr liebt: den Fußball.
Ihm ist es gelungen, eine neue „Mannschaft“ zu finden und mit der gleichen Leidenschaft, die er damals hatte, steht er heute sehr erfolgreich in seinem Beruf. Besser hätte es nicht sein können …
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