Im Gespräch mit Dietmar Wurst

Bevor ich mich in meine wohlverdiente Sommerpause verabschiede, möchte ich dir heute noch ein ganz besonderes Gespräch mit auf den Weg geben – eines, das zeigt, wie Veränderung im Verein gelingen kann, wenn man nicht auf das perfekte Konzept wartet, sondern einfach den ersten Schritt geht.

In diesem Blogartikel habe ich mit Dietmar Wurst gesprochen. Er ist Vorsitzender und Ehrenamtskoordinator beim SUS Rünthe in Bergkamen-Rünthe. Der Verein ist nicht nur sportlich aktiv, sondern auch sozial, kreativ und strukturell stark aufgestellt – mit viel Herzblut und Engagement. Dietmar gibt uns Einblick in die Entwicklung eines umfassenden Konzepts zur Elternarbeit, das im Laufe eines Jahres entstanden ist. Dabei wurde nichts übergestülpt, sondern gemeinsam mit Eltern, Trainer*innen und Kindern erarbeitet.

Was du aus diesem Gespräch mitnehmen kannst? Sehr viel – vor allem aber: Es braucht keine große Theorie, sondern ein bisschen Mut, Zeit und Menschen, die mitziehen.

Willst du lieber hören statt lesen? Dann findest du hier die dazugehörige Podcast-Episode:

Warum Elternarbeit mehr ist als Organisation am Spielfeldrand

In vielen Vereinen findet Elternarbeit dann statt, wenn Turniere anstehen, Kuchenspenden gebraucht werden oder Helfer*innen für das Fest gesucht werden. Doch Dietmar und sein Team haben erkannt: Eltern sind weit mehr als stille Helfer. Sie sind eine wichtige Ressource – nicht nur in der Umsetzung, sondern auch in der Haltung, die sie gegenüber dem Verein und ihren Kindern leben.

„Wenn wir als Verein wachsen wollen, dann schaffen wir das nicht nur mit Trainer*innen. Dann brauchen wir die Eltern als Mitgestalter – nicht als Zuschauer.“

Gerade in Jugendmannschaften sind Eltern in einer Schlüsselrolle. Wenn sie mitgestalten können, wenn sie wissen, was gebraucht wird, wenn sie sich willkommen fühlen – dann bringen sie sich nicht nur lieber ein, sondern fühlen sich auch stärker mit dem Verein verbunden.

 

Wie ein einziger Satz alles ins Rollen brachte

Nach einem langen Turniertag setzte sich ein Trainer erschöpft auf eine Bank und sagte: „Was soll ich denn noch alles machen?“ Dieser Satz war der Auslöser für ein Umdenken. Denn obwohl der Verein bereits viele Ehrenamtliche aktivieren konnte, wurde deutlich: Die Aufgaben und Erwartungen werden oft nicht klar genug verteilt – und Eltern werden nicht systematisch angesprochen.

Dietmar erinnert sich:

„Das war der Moment, in dem uns klar wurde: Wir denken zu sehr aus der Trainerperspektive. Wir müssen Eltern als Ressource gezielt ansprechen – und nicht erst, wenn’s brennt.“

Die Antwort war schnell klar: Es braucht Strukturen. Und es braucht ein Konzept, das alle mitdenkt – nicht nur die, die sowieso schon engagiert sind.

 

Das Drei-Säulen-Modell: Trainer – Eltern – Kind

Aus dieser Überlegung entstand ein Projektteam mit Eltern, Trainer*innen, Jugendleitung und Vorstand. Daraus entwickelte sich ein durchdachtes, aber gleichzeitig pragmatisches Drei-Säulen-Modell:

1. Die Kind-Säule

Für die Kinder wurden Regeln entwickelt, die altersgerecht formuliert und illustriert sind – liebevoll und mit echtem Bezug zum Vereinsalltag. Kinder sollen verstehen, was es heißt, Teil eines Teams zu sein. Und sie sollen selbst sagen können, was ihnen wichtig ist – z. B. Zuverlässigkeit, Fairness oder Teamgeist.

2. Die Eltern-Säule

Die Eltern wurden über eine umfangreiche Broschüre sowie eine speziell gestaltete Elternseite auf der Vereinswebsite angesprochen. Beides stellt den Verein vor, erklärt das Ehrenamt, formuliert konkrete Erwartungen und gibt alltagsnahe Tipps zur Kommunikation mit den eigenen Kindern. Die Inhalte wurden mehrfach in der Praxis getestet – zum Beispiel direkt am Spielfeldrand.

Sowohl Broschüre als auch Website werden bewusst an verschiedenen Stellen sichtbar gemacht – durch QR-Codes auf Plakaten, Aufkleber auf Mülleimern oder Hinweise in Elternabenden. So bleibt die Botschaft im Vereinsalltag präsent und leicht zugänglich.

3. Die Trainer-Säule

Trainer*innen wurden mit konkreten Vorlagen ausgestattet – etwa für Elternabende, Konfliktgespräche oder Steckbriefe. Alles wurde so aufbereitet, dass es direkt genutzt oder individuell angepasst werden kann. Zusätzlich entstand ein Ordnersystem, das digital und analog verfügbar ist und mit der Zeit wachsen darf.

 

Eltern sichtbar einbinden – statt sie nur zu „bitten“

Ein zentrales Ziel war es, Eltern nicht nur höflich zu fragen, ob sie helfen könnten – sondern ihnen bewusst zu zeigen, dass sie Teil der Vereinsstruktur sind. Dass sie gebraucht werden, und dass ihr Engagement einen Unterschied macht.

Kritik an der Häufigkeit der Helferanfragen gab es auch. Doch das Team von SUS Rünthe sah das gelassen.

Denn gerade durch Wiederholung entsteht Bewusstsein – und aus diesem Bewusstsein kann Beteiligung wachsen.

Besonders kreativ: Der Verein entwickelte einen eigenen Song mit dem Titel „Ich liebe Fußball“, der bei Heimspielen und Elternabenden gespielt wird. Eine akustische Erinnerung daran, worum es im Kern geht: Freude am Sport und ein Miteinander, das alle stärkt.

 

Entlastung statt Extraarbeit: Was Trainer wirklich brauchen

Viele Trainer*innen engagieren sich weit über das normale Maß hinaus. Deshalb war von Beginn an klar: Das Konzept darf keine zusätzliche Belastung sein, sondern soll konkret entlasten.

„Wir wollen nicht, dass Trainer noch mehr auf den Tisch bekommen. Wir wollen, dass sie Werkzeuge haben, mit denen sie weniger erklären müssen – weil vieles schon vorbereitet ist.“

Ein Trainer brachte von sich aus die Idee ein, das Konzept zur „Pflicht“ zu machen – im positiven Sinne. Er wollte, dass alle damit arbeiten. Und genau das zeigt, wie sehr sich Trainer danach sehnen, nicht allein gelassen zu werden.

 

Veränderung ist kein Sprint, sondern ein Prozess

Noch ist das Konzept nicht überall im Verein angekommen. Aber das war auch nie das Ziel. Vielmehr geht es darum, die ersten Schritte zu machen, zu beobachten, zu lernen – und weiterzugehen.

Inzwischen gibt es erste Rückmeldungen, erste kleine Erfolge, erste Trainer, die Materialien nutzen und weiterentwickeln. So entstand etwa aus der Kindersäule eine eigene PowerPoint-Präsentation für das Training – gestaltet von einem Trainer, der daraus ein gemeinsames Regelgespräch mit seiner Mannschaft gemacht hat.

„Veränderung passiert nicht, weil wir sie anordnen. Sie passiert, wenn Menschen überzeugt sind, dass es Sinn macht. Und wenn sie merken, dass sie Teil davon sind.“

 

Fazit: Es beginnt mit dem ersten Schritt

Was der SUS Rünthe auf den Weg gebracht hat, zeigt, wie viel möglich ist, wenn man aufhört zu warten. Man muss nicht alles neu erfinden, nicht alles perfekt machen und nicht sofort jede*n erreichen. Aber man muss anfangen.

Ein guter Anfang kann ein gemeinsames Gespräch sein, eine erste Broschüre, ein Elternabend mit klarer Ansprache – oder auch einfach ein Steckbrief, den Trainer und Eltern als Gesprächsgrundlage nutzen können. Denn Elternarbeit beginnt dort, wo Menschen miteinander reden, sich begegnen und verstehen, dass sie ein gemeinsames Ziel haben: Kindern und Jugendlichen eine gute Zeit im Sportverein zu ermöglichen.

Was Dietmar und sein Team mit viel Herz, Struktur und Ausdauer geschaffen haben, ist ein Beispiel dafür, wie Eltern, Trainer und Kinder zu einem echten Miteinander finden können. Das Konzept mag aus einem Satz geboren worden sein, aber es wächst weiter – mit jeder Idee, jedem Gespräch, jedem kleinen Schritt. Wenn du Fragen hast oder dich austauschen möchtest, kannst du Dietmar auch direkt per Mail: Dietmar.wurst@sus08.de kontaktieren.

Wenn du das Gefühl hast, in deinem Verein könnte mehr entstehen – dann fang an. Es braucht nicht viel. Aber es braucht den Mut, loszugehen.

Du willst über deine eigene Elternarbeit sprechen? Dann schreib mir gerne eine Mail – vielleicht bist du mein nächster Podcast-Gast!

Ich wünsche dir einen erholsamen Sommer, gute Gedanken – und freue mich auf den nächsten Blogartikel im Oktober.