Wir brauchen einen menschlichen Rahmen!

 

Für die Podcast-Episode #28 habe ich mit Dr. René Paasch gesprochen. René ist Psychologe, Sportpsychologe, Sportwissenschaftler, Sportpädagoge und Fußballtrainer einer Jugendmannschaft beim VfL Bochum. Er hat im Frühjahr dieses Jahres einen Artikel geschrieben, in dem er erklärt, warum der deutsche Fußball Mentoren braucht. Ich finde das Thema sehr spannend, denn unser Sohn hatte während seiner Zeit als Nachwuchsleistungsspieler so einen Mentor, Markus, und er hat uns großartig in vielen Belangen unterstützt.

Was ist überhaupt ein Mentor? Was genau ist seine Aufgabe? Wie kann er einen jungen Fußballer*in unterstützen? Wie die Eltern? Muss/soll ein Mentor unbedingt aus dem Fußballkontext kommen? Wie findest Du einen Mentor? Diesen Fragen gehen wir gemeinsam auf den Grund…

Möchtest Du lieber hören? Dann ist hier die dazugehörige Podcast-Episode:

 

Was ist überhaupt ein Mentor?

René erklärt, wie er die Rolle eines Mentors im Jugendfußballbereich sieht.

Ein Mentor ist jemand, der sein Gegenüber nicht als Objekt, sondern als „Subjekt“ sieht. Er will seinen Schützling nicht fremdsteuern, sondern fördern. Er setzt Impulse.

Das Kind soll sich entfalten und deswegen werden keine Regeln vorgegeben. Dadurch begeistert man Kinder und sie lernen besser denn sie werden anerkannt. Das nennt man dann Potenzialentfaltung.

Leider ist das etwas, was im heutigen Fußball noch nicht auf der Tagesordnung steht. Ein Mentor sieht die Bedürfnisse und lässt es zu, dass diese Bedürfnisse auch den Raum bekommen. Dadurch erreicht man eine nachhaltige Entwicklung. Denn der persönliche Charakter wird nur entlockt, wenn dieser Freiraum geschaffen wird.

Wichtig ist auch, dass Mentoren das Fehlermachen zulassen, denn nur so kann sich das Kind weiterentwickeln. Rene beschreibt, dass er leider oft in den Vereinen sieht, dass es nur um Leistung geht. Das ergebnisorientierte Handeln im Fußball führt dazu, dass Kinder die Lust verlieren. Es ist nicht das Ergebnis, was die Kinder antreibt,  sondern das Erlebnis.

Muss ein Mentor für einen Fußballspieler*in auch aus dem Bereich Fußball kommen?

Nein, er muss kein Mentor aus dem Fußballbereich sein, es geht vielmehr darum, auf Augenhöhe mit dem Schützling zu agieren, ihm das Menschliche entgegenzubringen. Dabei kann jeder ein Mentor sein, nicht nur ein Fußballtrainer*in. Man sollte für sein Gegenüber offen sein, ihm signalisieren: „Ich begleite Dich und habe Interesse an Dir.“

Wo findet man einen Mentor?

Eine Berufsgruppe „Mentor“ gibt es nicht. Es sind Menschen, die das Potenzial dazu haben. Man begegnet ihnen in seinem privaten Umfeld, im Verein oder auch beruflich. Wichtig ist, sich zu öffnen und es zuzulassen. René glaubt stark, dass es jetzt schon viele Leute im Verein sind, z.B.  der Zeugwart, der immer ein offenes Ohr hat, die einen „Mentor in sich tragen“. Diesen Leuten müsste man den Raum geben, diese Position auszuüben sowie die Freiheit geben, diese Tätigkeit auszuüben.

 7 Tipps  für Trainer*in, um ein Mentor zu werden

  1. Die Kinder als Subjekt wahrnehmen, als einzigartige Persönlichkeit
  2. Kinder einfach auch mal machen lassen
  3. Positive Fehlerkultur etablieren (z.B. Dribbeln lassen, falscher Einwurf nicht immer korrigieren)
  4. Begeisterung bei Kindern wecken
  5. Nicht auf Ergebnisse schauen
  6. Alle dürfen sich im eigenen Tempo weiterentwickeln
  7. Kleine Ziele stecken

3 Tipps für neue Wege im deutschen Fußball

Veränderungen müssen sein und es geht um Menschlichkeit, Loyalität und die Möglichkeit des Wachstums jedes einzelnen Fußballspielers.

  1. Die Ausbildung der Trainer*in sollte verbessert werden:
  • Die Kinder sollen das Thema Fußball mit Leidenschaft verbinden. Kinder wollen entwickelt werden.
  • Die Ausbildung sollte die Themen Führungskompetenz, Empathie und Menschlichkeit beinhalten.
  • Die Spieler wollen Lob, eine Nähe zu einem Trainer und eine Beziehung.
  • Die Beziehungen sind ein Zauber der Entwicklung. Kinder brauchen Freiraum, Kreativität, sie sind Forscher und Entwickler. Warum sollte ein Kind nicht mal selbst ein Training organisieren und leiten? Warum nicht mal Dribbeln, ohne eine Kritik zu ernten?
  1. Zeit geben: Kindern wird oft nicht die Zeit gegeben, sich zu entwickeln. Haben sie nicht die „richtige“ Körpergröße, Geschwindigkeit oder Körper werden sie zu schnell „aussortiert“. Dadurch gehen großartige Talente verloren. Durch diese falsche Führung kehren diese Kinder dem Fußball den Rücken zu oder landen in den unteren Ligen.
  2. Kommunikation und Aufklärung: Eltern möchten inzwischen, dass sich ihr Kind nicht in einem System wiederfindet, sie wollen, dass das Kind wertschätzend behandelt wird. Ohne die Eltern wird es nicht funktionieren. Sie sind der erste und wichtigste Ansprechpartner für das Kind. Mit den Eltern muss in eine direkte Kommunikation gegangen werden, ihnen muss von Anfang an erklärt werden, was, wie, warum läuft.  Auch mal ein Perspektivenwechsel anstreben, sich in die Rolle der Eltern versetzen und umgekehrt. Eine offene Gesprächskultur ist elementar.

René ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie eine zwischenmenschliche Förderung durch Mentoren im Fußballjugend funktioniert. Ich wünsche mir, dass es bald viele Mentoren gibt und wir es so schaffen, dass jeder einzelne Fußballspieler*in sich individuell entfalten kann. Hast Du Fragen an René oder möchtest Dich zu dem Thema austauschen, schreibe ihm gerne eine Mail an  r.paasch@die-sportpsychologen.de oder besuche ihn auf seiner Webseite.

Ich freue mich, wenn Du den Artikel und die Folge mit Familie, Freunden und Deiner Community aus dem Kinder- und Jugendfußball teilst.

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