Bevor du Eltern einbindest, musst du erstmal deine Hausaufgaben machen

Der Titel ist leicht provokant, doch möchte ich dir in meinem Artikel erklären, was ich damit meine.

Die meisten Vereine, die sich bei mir melden, kommen mit dem Anliegen, an der Zusammenarbeit mit den Eltern etwas zu verändern. Weil sie kompliziert und anstrengend ist. Weil sich Eltern kaum oder gar nicht im Verein und den Mannschaften engagieren. Weil sie merken, dass Eltern im Ehrenamt wunderbare Unterstützende sein können, sie jedoch nicht genau wissen, wie und wo sie starten sollen.

Im Erstgespräch, was ich immer führe, um zu schauen, wie und wo ich unterstützen kann, stellt sich schnell heraus, dass die Elternarbeit nicht das eigentliche Thema ist, sondern fehlende Strukturen im Verein. 

  • Aufgabenverteilungen und Verantwortlichkeiten sind nicht immer klar definiert, sind veraltet, finden keine Anwendungen mehr.
  • Die verschiedenen Positionen/Abteilungen wissen nicht genau, was die anderen machen, arbeiten wenig miteinander.
  • Trainer*innen, die sich kaum kennen, geschweige untereinander austauschen und sich gegenseitig helfen und unterstützen.
  • Verantwortliche Positionen hängen an einer Person bzw. Personengruppe, die aus den verschiedenen Gründen bezüglich ihrer Arbeit wenig transparent und informativ kommunizieren.
  • In der Elternarbeit gibt es keine Klarheit, keine Philosophie, keinen roten Faden für beispielsweise Elterngespräche oder Elternabende, sodass jede Person es so macht, wie sie es für sinnvoll erachtet.
  • Es finden sich wenige, die im Ehrenamt tätig sein wollen, junge Menschen wünschen sich andere Arbeitsmodelle und Jung trifft auf Alt, was immer wieder zu Konflikten führen kann.

Die Liste lässt sich beliebig ergänzen und soll beispielhaft ein paar Einblicke geben. Schnell wird klar, dass es eben nicht nur an der Zusammenarbeit mit den Eltern hapert, sondern auch in anderen Bereichen des Vereins. Es geht nicht nur ums Fußball spielen, sondern der Sport braucht ein Zuhause, einen Rahmen, damit das möglich ist.

Ein Verein ist eine Organisation, die geführt, gemanagt werden und sich vor allem beständig (weiter-)entwickeln muss, um zukunftsfähig zu sein. 

Sprechen wir vom Amateurfußball kommen wir schnell zum Thema Ehrenamt. 

Ja, ich bin mir darüber bewusst, dass die meisten Menschen ehrenamtlich im Amateurfußball arbeiten. Sie geben viel Kraft, Zeit und Energie in den Sport, damit Kinder, Jugendliche und Erwachsene ihr Hobby ausleben können. Gleichzeitig geraten viele auch an ihre Grenzen, weil die Arbeit zu viel und häufig zu wenig strukturiert ist. 

Willst du lieber hören statt lesen? Dann findest du hier die dazugehörige Podcast-Episode:

Warum hier nicht ansetzen und schauen, wie es leichter gehen kann?

In Unternehmen werden viele Veränderungen durch Organisationsentwicklungen erreicht. OE, wie sie auch gerne abgekürzt wird, ist ein geplanter, systematischer und langfristiger Prozess der Veränderung und Weiterentwicklung eines Unternehmens oder einer Organisation unter größtmöglicher Beteiligung aller Betroffenen. Kurzum: Veränderungen im Verein, an denen möglichst viele Menschen beteiligt sind.

InsNetzgegangen_Jugendfußball_Kommunikation©Canva

Denn nicht der Verein verändert sich, sondern die Kommunikation und das Miteinander untereinander führen zu Veränderungen. Dabei handelt es sich um Lernprozesse, die Zeit benötigen.

Für mich sind Vereine – unabhängig von ihrer Größe – Systeme, die filigran und ebenso verletzungsanfällig sind wie Unternehmen. John P. Kotter, ein amerikanischer Professor und Vordenker im Bereich Führung und Veränderungsmanagement hat ein 8-Stufen-Modell entwickelt, das acht aufeinander aufbauende Schritte beschreibt, die helfen, Veränderungen wirksam und nachhaltig umzusetzen. Anhand einer sehr vereinfachten Version möchte ich dich mitnehmen in die Organisationsentwicklung.

Der 8-Schritte-Plan

für Veränderung im Verein am Beispiel der Einführung eines regelmäßigen Elternabends in allen Mannschaften:

1. Warum müssen wir was ändern?

Analysiere die aktuelle Situation. Erkläre das Problem oder die Chance deutlich, damit ein Problembewusstsein geschaffen werden kann. Denn nur wenn das „Warum“ und der Gewinn klar sind, gibt es eine Veränderungsbereitschaft.

„So wie die Zusammenarbeit mit den Eltern derzeit ist, klappt es nicht (mehr) – wir müssen handeln und der erste Schritt soll ein regelmäßiger Elternabend sein.“

2. Wer macht mit?

Hol dir ein kleines Team, das hinter der Idee steht. Sie sollten aus verschiedenen Bereichen sein (z.B. Vorstand, Jugendleitung, Trainer*innen, Eltern, ältere Spieler*innen) und Vertrauen und Kompetenzen bündeln.

„Wir brauchen Leute, die mit anpacken und andere motivieren, um die Zusammenarbeit mit den Eltern durch einen regelmäßigen Elternabend zu verändern.“

3. Was ist unser Ziel? 

Gemeinsam überlegen: Wo wollen wir hin? Passen unsere derzeitigen Strukturen zu dem, was wir wollen? Was ist bereits vorhanden?

„Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Eltern aus, wenn alles gut läuft? Wie kann dabei der Elternabend helfen?“

4. Erzähl es weiter!

Erkläre allen im Verein, was geplant ist – klar und verständlich. Um alle mitzunehmen, ist es wichtig, die Neuerungen zu wiederholen, über eure diversen Kommunikationskanäle immer wieder darauf zu verweisen, sie im persönlichen Gespräch anzusprechen und sie evtl. auch graphisch z.B als Plakat zu visualisieren.

„Damit alle Bescheid wissen, wie ein Elternabend so geplant und durchgeführt wird, dass viele Eltern kommen und sich mitgenommen fühlen.“

5. Was steht uns im Weg?

Redet offen über Hindernisse und findet Lösungen. Geht mit denen ins Gespräch, die sich schwer mit der Veränderung tun, sie evtl. blockieren. Was sind ihre Sorgen, Ängste, Nöte? Was wünschen sie sich? Was kann ihnen helfen bzw. ist dienlich, dass sie mitwirken?

„Was brauchen wir, um den Elternabend regelmäßig umzusetzen und die Eltern zahlreich kommen? Was oder wer bremst uns aus?“

6. Zeigt erste Erfolge

Fangt klein an – und macht die Erfolge sichtbar! Denn kleine, schnelle Erfolge steigern die Motivation und das Vertrauen in die Sache, zeigen, dass sich der Einsatz lohnt und bestärken alle, dranzubleiben.

„Guckt, was wir mit einem regelmäßigen Elternabend in jeder Mannschaft geschafft haben!“

7. Macht weiter!

Nutzt den Schwung, um noch mehr zu bewegen und den nächsten Schritt zu gehen.

„Was können wir jetzt noch in der Elternarbeit verbessern?“

8. Macht’s zur Gewohnheit

Die Entwicklung neuer Ideen und Abläufe sollten zum festen Teil des Veränderungsprozesses im Verein werden.

„Jede Mannschaft macht ab jetzt regelmäßig einen Elternabend – weil der die Zusammenarbeit mit den Eltern positiv unterstützt.“

 

InsNetzgegangen_Jugendfußball_Kommunikation©Canva

4 wichtige Impulse von John P. Kotter 

  • Veränderung braucht Emotionen, nicht nur Verstand.
  • Menschen sollten für eine Idee gewonnen und Prozesse nicht aufgezwungen werden.
  • Veränderung funktioniert nicht linear, sondern über Beteiligung und Motivation, die mal mehr oder weniger sein kann.
  • Kurzfristige Erfolge sind essentiell, um langfristige Veränderungen zu sichern. Denk an die Minimalziele, die dich zu deinem formulierten Ziel führen.

Jeder der einzelnen Schritte benötigt Zeit und Geduld bei ALLEN Beteiligten, denn der eine wird vielleicht ein bisschen schneller, der andere ein bis langsamer durchlaufen werden. Zeit, die investiert werden muss, will der Verein die Veränderung. Die gleichzeitig später gespart wird, weil Eltern die Vereins- und Mannschaftsarbeit unterstützen und sie so auf mehrere Schultern verteilt werden kann. 

Oftmals ist es dienlich jemanden als Prozessbegleiter*in von außen dabeizuhaben, der/die einen objektiven Blick auf den Verein, die Personen und Situationen hat. Organisationen, die diese Begleitung kostenfrei anbieten, sind z. B. die Schmid Stiftung oder die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt, die hilfreiche Informationen und Workshops dazu zur Verfügung stellt. Vernetz dich auch mit anderen Vereinen, tauscht eure Erfahrungen aus und schafft Synergien, denn das Rad muss nicht immer neu erfunden werden.

Ich wünsche dir viel Spaß und Erfolg bei der Umsetzung. Teile den Artikel gerne mit deiner Community und lass auch deine Trainerkollegen*innen davon profitieren. Denn so erfahren immer mehr, wie wichtig die Organisationsarbeit und Elternarbeit im Amateurfußball ist und wie sie bereits mit ersten kleinen Schritten für jeden möglich ist.