Der Vereinseintritt ist eine Familienentscheidung

Als Mutter eines fußballspielenden Sohnes kann ich das nur bestätigen. Als er mit sechs Jahren in seinen ersten Verein eintrat, war mir nicht klar, wie sehr sein Hobby auch mich und unser Familienleben einnehmen würde. Damit bin ich nicht allein – vielen Eltern geht es genauso. Dennoch gehen viele Vereine davon aus, dass Eltern die Grundlagen des Fußballs und die Anforderungen an Kind und Familie bereits kennen, wenn sie ihr Kind anmelden.

Da das im Vereinsalltag jedoch anders ist, möchte ich in meinem Blogartikel einerseits auf die Eltern schauen und was es für sie bedeutet, wenn ihr Kind Fußball spielt und andererseits den Vereinen Impulse an die Hand geben, um die Eltern von Beginn an informativ mitzunehmen. So prallen die unterschiedlichen Erwartungshaltungen weniger aufeinander und Konflikte werden reduziert.

Willst du lieber hören statt lesen? Dann findest du hier die dazugehörige Podcast-Episode:

Ohne die Eltern kann kein minderjähriges Kind dem Verein beitreten

Auch wenn es noch immer einige Vereine gibt, die wenig bis gar nicht mit den Eltern zusammenarbeiten wollen, geht dieser Plan nicht auf. Denn Eltern müssen aus rechtlichen Gründen den Mitgliedsantrag unterschreiben, wenn ihr Kind noch nicht volljährig ist, also von der F- bis mindestens in die B-Jugend, teils auch noch in der A-Jugend.

Eltern zahlen die Mitgliedsbeiträge und übernehmen je nach Vorgaben und Möglichkeiten finanzielle Unterstützung zu Ausrüstungen wie Fußballschuhe, Trikots, Schienbeinschoner, Trainingsanzug etc. und zahlen Sprit/Strom für Fahrtkosten zu Training und Spielen. Hier gibt es schon mal Berührungspunkte zwischen Verein und Eltern, die unumstößlich sind.

Gleichzeitig sind Eltern vor allem im Kinderfußball stark das Entscheidungsbarometer. Wenn sie nicht wollen, ist der Eintritt in den Verein fürs Kind unmöglich. Im Jugendfußball kann sich das ändern, wenn der Verein danach ausgewählt wird, weil Freund/Freundin dort auch spielt oder die fußballerische Weiterentwicklung im Fokus steht. Ich selbst habe mich lange verweigert und immer wieder Argumente gefunden, warum unser Sohn keinen Fußball im Verein spielen sollte. 

Alleine diese Fakten machen die Einbindung der Eltern notwendig.

Gerade in Regionen, in denen Vereine händeringend Mitglieder suchen, ist es sinnvoll auch die Eltern im Blick zu haben.

Fühlen sie sich angesprochen, spüren sie eine Offenheit und fühlen sich willkommen, sind sie eher bereit, ihr Kind dort anzumelden, als in einem Verein, in dem sie keine Rolle spielen.

Aber auch die Vereine, die im Überfluss leben, tun gut daran, Eltern in die direkte und wohlwollende Ansprache einzubinden. 

 

Die unausgesprochenen Aufgaben

Als unser Sohn in den ersten Verein eintrat, wusste ich nicht, was da so auf mich zukommt. Wäsche- und Fahrdienst sowie die obligatorische Kuchenspende zu Turnieren und Festen wurden von Trainerteam und Verein vorausgesetzt.

War ich Anfangs NUR Taxi und Wäscheunternehmen, war ich schnell in der Rolle der Seelentrösterin, wenn es nicht so lief, wie unser Sohn es sich vorgestellt hat. Mit zunehmendem Alter weitete sich mein Arbeitsumfeld aus. Ich wurde zur Mentaltrainerin, habe emotional unterstützt, bei Niederlagen ein Ohr gehabt und gemeinsam mit ihm Erfolge gefeiert.

Nach Verletzung wurde ich schnell die angelernte Assistentin des Physiotherapeuten, wenn nach seinen Vorgaben wieder auftrainiert wurde oder die Ernährungsberaterin, um das auf den Tisch zu bringen, was für junge Menschen wichtig ist, der Doppelbelastung von Schule und Sport zu entsprechen. In der Schule habe ich Aufklärungsarbeit und Verständnis für den Fußball geschaffen, denn vielen Lehrer*innen ist dieser Kosmos noch fremder als vielen Eltern.

InsNetzgegangen_Jugendfußball_Kommunikation©Canva

Zeitliche Gebundenheit 

Zusätzlich war ich auch Familienmanagerin, nämlich die Trainings- und Spielzeiten mit unserem Familienleben, meinem Beruf, den Ansprüchen der anderen Familienmitgliedern und Anforderungen der Schule unter einen Hut zu bekommen.

Gerade hierfür ist es extrem hilfreich, darüber vor Eintritt in den Verein ausreichend informiert zu sein. Die Spielzeit in der F- und E- Jugend beispielsweise wird häufig dann angepfiffen, wenn sich viele Familien wünschen, nach einer anstrengenden Woche gemütlich am Frühstückstisch zu sitzen. Oder einige lange Wochenende fallen für einen Kurzurlaub mit der Familie weg, weil Turniere oder Fußballcamps terminiert sind, später teils Ferienzeiten, weil Vorbereitungen bereits in den Ferien beginnen.

Sind die Spieler*innen älter, suchen sie den Verein danach aus, in dem sie den nächsten Entwicklungsschritt machen können, werden die Anfahrten länger, steigt die Anzahl der Trainingstage und kommt evtl. noch Extra-Training hinzu.

Was größtenteils auch durch die Eltern abgedeckt wird. In Nachwuchsleistungszentren geht es teils so weit, dass Eltern ihre Arbeitszeiten einschränken oder sogar ihren Job aufgeben und mit der Familie dorthin ziehen, um ihrem Kind das Ausleben seines Sports weiter zu ermöglichen.

 

Das Ehrenamt braucht die Eltern

Neben der Unterstützung für das eigene Kind, wird sie im Amateurfußball auch in der Mannschaft und im Vereinsleben von den Eltern benötigt.

Das können einmalige, immer wiederkehrenden bis hin zu dauerhaften Aufgaben sein, die die Stabilität und den Fortbestand des Vereins gewährleisten, z.B. Verkauf bei Turnieren, Organisation von Fahrgemeinschaften zu Spielen, Betreuung bei Camps, Orga von Feiern, Übernahme von Vorstandsposten, Schatzmeister*in …

Die Auflistung soll einen ersten Einblick über die häufigsten Aufgaben und mit sich bringende Veränderung für Eltern und Familien, wenn einer oder mehrere in der Familie kicken. Je nach Verein, Alter und Leistungsniveau kommen weitere Aufgaben hinzu oder fallen Bereiche weg.

 

Wie können Vereine Eltern unterstützen, kompetent in den Fußball einzusteigen?

Die Sportpsychologin Valeria Eckardt hat so einen wunderbaren Satz geprägt: Für Eltern ist der (Leistungs-)Fußball wie die Reise in ein fremdes Land!

Stellen wir uns nun vor, wir reisen in ein Land, in dem wir vorher noch nie waren, noch nicht viel darüber erfahren und gelesen haben, die Sprache nicht beherrschen und nicht wissen, welche gängigen Verhaltensweisen und -regeln gelten, kriegen wir eine Anmutung davon, wie der Kinder- und Jugendfußball auf Eltern wirken kann.

Ich selbst habe mich häufig dabei ertappt, dass ich Trainer wie auch Fußballverrückte Eltern wie eine Spezies von einem anderen Stern betrachtet habe.

Folgende Aspekte helfen Vereinen und Trainer*innen, ein besseres Verständnis für die Situation der Eltern zu bekommen:

  • Eltern sind Experten für ihr Kind, aber nicht für den Fußball. Auch die Eltern, die früher selbst aktiv waren, sind jetzt in einer anderen Rolle. Nämlich der des Elternteils eines fußballspielenden Kindes und damit ist das auch für sie neu.
  • Eltern benötigen transparente Basisinformationen zum Sport, Vereinsleben und Ehrenamt im Kinder- und Jugendfußball.
  • Eltern wollen das Beste für ihr Kind. Je sicherer und aufgeklärter sie sich in der Fußballwelt fühlen, desto besser verstehen sie den Sport.
  • Vereine sollten sich bewusst sein, dass viele Eltern ebenso viel Energie und Zeit in den Sport investieren, wie Trainer*innen und Funktionäre.
  • Wer nicht fragt, dass er Unterstützung braucht, der kriegt auch keine. Vereine müssen die Eltern entsprechend ansprechen und ins Boot holen.
  • Der Verein ist nicht für alle Eltern ein Dienstleistungsunternehmen. Die, die so denken, benötigen Informationen und Aufklärung, um zu verstehen, was der Verein leisten und bieten kann.
  • Die wenigsten Eltern kennen sich in der Vereinsarbeit aus. Sie brauchen eine Einführung in die ehrenamtliche Arbeit sowie konkrete Angebote, wie sie unterstützen können.
  • Eltern sollten frühzeitig „abgeholt“ werden, BEVOR sie ihr Kind im Verein anmelden, um Klarheit über die Erwartungshaltungen zu bekommen. Dabei hilft eine Elternseite auf der Vereinshomepage, ein Handout, später der Elternabend, Elterngespräche, Elternsprechstunde etc.
  • Neues Wissen braucht Wiederholung, um es zu verankern. Vereine tun gut daran, Informationen über vielfältige Kanäle den Eltern zur Verfügung zu stellen und nicht davon auszugehen, einmal gesagt/geschrieben und dann läuft’s …
  • Um die wichtigsten Infos für Eltern zu bündeln, hilft es einerseits, ihre Perspektive einzunehmen und zu überlegen, was ich an ihrer Stelle (ohne Fußballkenntnis) bräuchte und sie andererseits zu fragen, wozu/wobei sie Hilfe brauchen.
  • Alle Beteiligten sollten geduldig miteinander sein und sich Zeit für den Weg in die Zusammenarbeit nehmen.

Ich hoffe, es ist mir gelungen, aufzuzeigen, was sich für Eltern und die Familie verändert, wenn das Kind/die Kinder Fußball spielen. 

An die Eltern: Was hat sich für dich verändert, was du noch hinzufügen möchtest?

An die Trainer*innen/Funktionäre: Welchen AHA-Moment nimmst du mit? Was hattest du bisher nicht auf dem Schirm?

Schickt mir gerne eine Mail und teile deine Erfahrungen mit mir.

Und mehr aus 13 Jahren, die ich unseren Sohn in seiner Welt begleiten durfte, findest du in meinem Buch “Ins Netz gegangen – Mein Leben mit einem Nachwuchskicker zwischen Schulbank und Torjubel”. Gerne im stationären Buchhandel bestellen 🙂