Braucht das Ehrenamt einen neuen Namen?

Seit ich letztes Jahr die Projektreihe „Ehrenamt im Amateurfußball stärken“ mit Gerd Thomas durchgeführt habe, habe ich das Gefühl, dass das Thema derzeit boomt. In der FAZ war ein Artikel mit Marthe Lorenz von Klubtalent drin, die darüber gesprochen hat, dass die Vereine so nicht weitermachen können und es wichtig ist, hauptamtliche Positionen zu schaffen, um das Überleben zu sichern.

Der Spiegel betitelte einen Artikel zum Thema: „Fast ein Fünftel der Vereine sieht sich durch fehlende Ehrenamtler in ihrer Existenz bedroht.“.

Auf der Amateurfußball-Konferenz der HARTPLATZHELDEN ging es auch unter dem Titel „Vielfalt im Ehrenamt“ auch darum.

Das Thema steht nicht nur im Fußball und Sport immer mehr im Fokus, sondern auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft, denn es betrifft uns alle und ist ein gesamtgesellschaftliches Thema.

Ehrenamtliche werden gebraucht und gleichzeitig finden sich kaum noch Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen.

Willst du lieber hören statt lesen? Dann findest du hier die dazugehörige Podcast-Episode:

Was können wir tun, damit sich das ändert?

Ich glaube, ein ganz wichtiger Schritt ist zu akzeptieren, dass das Ehrenamt, wie wir es bisher kennen, ausgedient hat.

Ich habe mal ChatGPT nach den Unterschieden zwischen früher und heute gefragt und das kam dabei heraus:

1. Veränderung der Aufgaben

Früher:

  • Ehrenamt war oft „helfende Hand“: Platz kreiden, Trikots waschen, Fahrdienste leisten.
  • Meist ohne feste Rollenbeschreibung – man „half halt mit“, wo man gebraucht wurde.

Heute:

  • Aufgaben sind professionalisierter: Trainerlizenzen, Jugendschutzrichtlinien, Datenschutz.
  • Es gibt klare Strukturen und Rollen (z.B. Jugendkoordinator, Sponsoringbeauftragte).
  • Zunehmend administrativer Aufwand durch Regularien von Verbänden und Behörden.

 

2. Zeit und Verfügbarkeit

Früher:

  • Menschen blieben oft jahrzehntelang in einem Verein aktiv.
  • Freizeit war stärker lokal gebunden, mehr Zeit für Engagement.

Heute:

  • Viele Menschen haben weniger freie Zeit, Job und Familie fordern mehr Flexibilität.
  • Ehrenamt muss mit Beruf, Mobilität und anderen Interessen vereinbar sein.

 

3. Motivation und Erwartungen

Früher:

  • Ehrenamt war oft selbstverständlicher Teil des Vereinslebens.
  • Häufig familiär oder traditionell bedingt (z.B. „der Vater war auch schon im Vorstand“).

Heute:

  • Engagement ist bewusster gewählt – oft aus Interesse, Sinnsuche oder sozialem Anliegen.
  • Ehrenamtliche erwarten mehr Wertschätzung, Mitsprache und Qualifizierung.

 

4. Gesellschaftlicher Stellenwert

Früher:

  • Ehrenamt wurde geschätzt, aber nicht groß thematisiert – es gehörte „einfach dazu“.

Heute:

  • Das Ehrenamt wird öffentlich anerkannt und gefördert, z.B. durch Preise, Förderprogramme, Ehrenamtskarten.
  • Es wird auch stärker politisch und wirtschaftlich als unverzichtbar betont.

 

5. Technologischer Wandel

Früher:

  • Organisation über Telefonkette und Aushang im Vereinsheim.

Heute:

  • Digitale Tools, WhatsApp-Gruppen, Vereinsapps und Online-Plattformen helfen bei Organisation, Kommunikation und Verwaltung.
  • Gleichzeitig entsteht auch mehr „digitaler Aufwand“ (z.B. Spielberichte online, DSGVO).

InsNetzgegangen_Jugendfußball_Ehrenamt©Canva

Ich stimme nicht allen Fakten zu, doch ist die Entwicklung deutlich sichtbar. Die Arbeit im Ehrenamt hat sich im Umfang, in den Anforderungen und dem gesellschaftlichen Kontext verändert. Es ist nicht nur in den einzelnen Bereichen zu betrachten, in denen es stattfindet, wie Sport, freiwillige Feuerwehr, Kirchengemeinde etc, sondern es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die politisch, kulturell und wirtschaftlich mitgedacht werden muss.

Gleichzeitig stellen sich viele, ich eingeschlossen, die Frage, ob es nicht einen anderen Begriff für das Ehrenamt braucht. Denn mit dem bisherigen Begriff verbinden viele steife Vereinsstrukturen, klassische Vereinsmeierei, Pflichtgefühl und „einmal ein Amt, immer ein Amt“.

Das können und wollen heute die wenigsten leisten. Gerade auf junge Menschen wirkt er eher altmodisch, bürokratisch, sperrig und wenig attraktiv. Vielen ist unklar, was genau mit dem Ehrenamt gemeint ist und für die meisten passt es nicht zu ihrer Lebensrealität. Sie wünschen sich mehr flexibles, projektbezogenes, digitales oder soziales Engagement, was aus dem ZIVIZ Survey der DSEE Ende 2023 hervorging. 

Zusätzlich stellt sich die Frage, wie die Arbeit im Ehrenamt mehr, kontinuierlich und vor allem echt wertgeschätzt werden kann. Über Förderprogramme, Preise und den Ehrenamtstag einmal im Jahr hinaus. Vielen Ehrenämtern geht es gar nicht ums Geld, sondern um Anerkennung, ein Dankeschön, Mitbestimmung, Gestaltungsmöglichkeiten. 

 

Als kleiner Impuls von mir  

Hier können Vereine ihren ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen mal fragen, was sie sich wünschen und vorstellen können. Ich vermute, dass es oft einfacher umzusetzen ist, als man denkt.

Der DFB schätzt, dass über 1,5 Millionen Menschen im deutschen Fußball ehrenamtlich tätig sind.

Vielleicht würde dabei auch ein neuer Begriff helfen, Wertschätzung mehr zum Ausdruck zu bringen? Doch welchen Namen könnten wir dem Ehrenamt geben?

In einer unserer Veranstaltungen aus dem letzten Jahr sagte jemand, man sollte das Ehrenamt „Engagement“ nennen, in einem LinkedIn-Post schlug jemand „freiwillig Engagierte“ oder „Zeitspender“ vor. Andere meinen „Freiwilliger Einsatz“, „Mitwirkung“, „Vereinsheld*in“, „Teamplayer“, „Beteiligung“ wäre passend.

Auf der anderen Seite hat der Begriff „Ehrenamt“ Tradition und der Begriff ist rechtlich und politisch verankert. Ein neuer Name könnte verwirren und gerade bei älteren Menschen zu Verunsicherung führen.

Vielleicht braucht es einen Kompromiss. Vielleicht sollte das Ehrenamt einen Zusatz bekommen, der es modernisiert und attraktiver macht, damit eine neue Zielgruppe anspricht, die alte jedoch weiterhin mitnimmt. Ich weiß es auch nicht. Ich weiß jedoch, dass es eine große Aufgabe ist, die angegangen werden sollte, wollen wir das Ehrenamt zukunftsfähig gestalten.

Und dabei hilft auf jeden Fall auf das Positive zuschauen und nicht immer nur darüber zu klagen, was alles nicht klappt.

Soweit mal meine Gedanken … Wie siehst du das? Wie würdest du das Ehrenamt nennen? Oder braucht es deiner Meinung nach keine Änderung? Vielleicht eher die Ergänzung?

Lass uns doch mal die Köpfe zusammenstecken und schreib mir gerne, wie du darüber denkst.