Sollten 16-jährige Spieler schon in der Bundesliga kicken?

Als ich den Artikel letzte Woche geschrieben habe, gab es in der DFL bisher nur Überlegungen dazu, am 2. April 2020 haben sie dann entschieden: die Altersgrenze von Spielern in der 1. und 2. Bundesliga ist auf 16 Jahre herabgesetzt. Bis dahin mussten sie entweder ihr 18. Lebensjahr vollendet haben oder zum jüngeren Jahrgang der U19 gehören, um eine Spielberechtigung zu erhalten.

Aus fußballerischer Hinsicht und dem Wunsch, auf dem internationalen Markt mithalten zu können, kann ich den Weg nachvollziehen. Zu groß ist die Angst, abgehangen zu werden.

Doch mit Sicht auf den Spieler und als Mutter eines ehemaligen Nachwuchsspielers, der ab der C-Jugend in der Junioren-Bundesliga gekickt hat, fallen mir drei Gründe ein, weswegen ich kritisch bin.

1. Mentale Entwicklung

Nur weil ein Spieler fußballerisch weit entwickelt ist, bedeutet das nicht, dass das auf mentaler Ebene ebenso ist. Von vielen Spielern weiß man, dass gerade der Sprung aus der Jugend nicht leicht ist.

Die körperlichen Anforderungen steigen, man ist nicht mehr der „Welpe“ der von den älteren unter die Fittiche genommen wird, die Konkurrenz ist größer als in der Jugend, denn die älteren Spieler wollen sich nicht den (Stamm-) Platz streitig machen lassen und das Spiel ist härter.

Die wenigsten Jugendspieler sind auf diesen Schritt zu den Senioren gut vorbereitet.

2. Körperliche Entwicklung

Mit 16 Jahren ist die körperliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen, die meisten stecken mitten in der Pubertät. Ich habe einen interessanten Artikel von Prof. Dr. Wolfgang Potthast von der Deutsche Sporthochschule Köln gelesen, der über zunehmende Verletzungen bei kindlichen und jugendlichen Fußballspielern forscht.

In den letzten Jahren wurde beobachtet, dass bestimmte Verletzungen, wie Schambeinentzündungen, Risse oder Teilrisse der Hüftmuskulatur und Schädigungen der Sehnenansätze am Becken viel öfter auftreten als früher. Verantwortlich dafür ist eine rapide Zunahme der Trainingsbelastung ab der U15 in den Nachwuchsleistungszentren, auf die der Bewegungsapparat – Knochen, Knorpel, Sehnen, Bänder und Muskeln – nicht ausreichend vorbereitet wird.

Aus eigener Erfahrung unseres Sohnes, der in diesem Alter eine lange Verletzungshistorie hatte, die sich größtenteils auf muskuläre Probleme bezog, kenne ich das.

Gerade weil jeder eine individuelle körperliche Entwicklung durchläuft, wäre hier der Blick auf das Individuum wichtig. Jedoch sieht es in der Realität anders aus.

3. Ist das noch Spaß?

Mit so einem früheren Schritt in den Profibereich wachsen Anforderungen und Druck. Der spielerische Charakter sich unter seinesgleichen entwickeln zu können entfällt. Gemeinsam altersgerechte Erfahrungen sammeln ist für die Findung seiner selbst gerade in der Pubertät wichtig. Abcheken, abgrenzen, Gemeinsamkeiten haben, überprüfen wie sind meine Kumpels, ist bei so einem frühen Einstieg in den Profibereich eher schwierig. Denn die meisten Mitspieler sind Anfang/Mitte 20, haben Freundin/Familie und verfolgen meist ein anderes, oftmals selbstständiges und selbstbestimmtes Lebenskonzept. Bleibt der Spaß der treibende Motor oder wird das Erfüllen der Erwartungen und damit dem Druck standhalten das wichtigere Element?

Muss man alles mitmachen?
Natürlich ist der Wunsch bei Vereinen groß, „Ausnahmespieler“ schnell weiterzubringen. Gerade im Sportkontext, wenn viele junge Menschen früh auf sportlicher Ebene erfolgreich sind, zeigt sich oft, dass die eigentliche Herausforderung für sie die ist, mit den äußeren Einflüssen zurechtzukommen.

Die körperliche wie auch die Persönlichkeitsentwicklung durchläuft jeder in seinem eigenen Tempo. Das braucht in der Regel Zeit. Es gibt Gründe, warum bestimmtes Lernen und Erfahrungen sammeln in einem bestimmten Lebensabschnitt stattfinden sollte.

Kinder und junge Menschen immer weiter nach vorne zu pushen, nimmt ihnen viel von eben dieser Zeit.

Bei allen Überlegungen, die wirtschaftlicher und sportlicher Natur sind, sollte sich der Fußball der Verantwortung der jungen Menschen bei der Entscheidung bewusst sein. Nicht nur unterstützen, wenn es gut, sprich erfolgreich, verläuft, sondern auch Dasein, wenn es sich nicht so entwickelt wie prognostiziert. Damit meine ich frühzeitig ein Sicherheitsnetz bauen z. B. mit Sportpsychologen und nicht die Verantwortung auf den Spieler abschieben mit dem dauerlahmen Spruch, dass der Spieler einen Plan B haben soll. Dass besonders in diesem Bereich Nachhilfe nötig ist, zeigt auch eine aktuelle Umfrage der Spielergewerkschaft VdV. Gerade einmal 5 von 56 Vereinen der höchsten Ligen bauen auf eine dauerhafte, professionelle Betreuung ihrer Spieler.

Das so ein früher Einstieg – zwei Jahre machen in der Jugend viel aus – Auswirkungen auf die Psyche hat, ist – hoffentlich – allen bewusst.