Trainer und Eltern: Die Kommunikation ist entscheidend

Das Verhältnis zwischen Vereinsvertretern und Spielereltern kann ein Spannungsfeld sein. Falsche Erwartungen an die jeweils andere Seite und unterschiedliche Auffassungen über das jeweilige Kind können zu Problemen führen. Genau dort setzt Susanne Amar an: Als Coach für Fußball-Eltern und Trainer sorgt sie für eine vertrauensvolle Kommunikation zwischen beide Parteien.

Sie gibt Workshops, hält Vorträge und schreibt auf ihrem Blog und spricht in ihrem Podcast Ins Netz gegangen über ihr Kernthema im Kinder- und Jugendfußball. Ihre ganz persönlichen Erfahrungen als Elternteil eines LZ-Spielers schildert sie in ihrem Buch Ins Netz gegangen Mein Leben mit einem Nachwuchskicker zwischen Schulbank und Torjubel.

Susanne Amar, wie sind Sie zu Ihrer Aufgabe als Coach für Fußball-Eltern gekommen?

Ich bin nicht der typische Fußballfan und hatte mit dem Sport nie viel am Hut. Als Mutter eines Fußballers habe ich somit oft vor kleinen Herausforderungen gestanden, weil mir manches Basiswissen fehlte und ich gemerkt habe, dass es anderen Eltern ähnlich geht. Für mich der Beginn mein Fachwissen als systemischer Coach und Mediatorin mit meinem Erfahrungswissen aus 13 Jahren, die ich unseren Sohn von der F- bis A-Jugend begleitet habe, zu bündeln und damit andere zu unterstützen.

Worin geht es vor allem in Ihrer Arbeit?

Ich bin Coach für Fußball-Eltern, ich berate Vereine darin, eine gute Kommunikation zwischen Trainern und Eltern herzustellen. Denn das habe ich selbst immer vermisst. Meistens findet die Kommunikation nur sehr rudimentär statt. Dazu erarbeite ich in Workshops mit Trainern, wie sie die Situation mit den Eltern ihrer Spieler wahrnehmen, erkläre ihnen, wieso Eltern oftmals so reagieren, wie sie es tun. Ich kreiere Situationen, in denen sie die Rolle der Eltern einnehmen und dadurch ein besseres Verständnis für diese entwickeln. Und schlussendlich erlangen sie dadurch Handlungsoptionen, die sie direkt in ihren Trainingsalltag einbauen können und die ihre Position als Trainer stärken. Sie erfahren, wie sie durch Informationen ihr Handeln transparent machen und damit für Verständnis bei ihrem Gegenüber sorgen. Die Basis für einen guten Dialog und gegenseitige Wertschätzung. Das gleiche mache ich übrigens auch mit Eltern.

Warum sind die Meinungen von Trainern und Eltern oft so unterschiedlich?

Letztendlich haben Trainer und Eltern ja gemeinsame Ziele. Sie wollen, dass der Spieler Spaß am Sport hat, sich verbessert und erfolgreich ist. Beide Parteien starten aber von unterschiedlichen Positionen. Oft wissen Trainer und Eltern sehr wenig voneinander, es fehlt an Informationen und an Transparenz. Wenn der Trainer wüsste, was Eltern leisten, damit der Spieler zum Training kommt, würde er manches anders bewerten. Und umgekehrt genauso: Auch Eltern haben oft keine Ahnung, was Trainer leisten müssen, damit der Fußball funktioniert. Sie wissen nicht, was zuzüglich zu zwei-, drei- oder viermal Training pro Woche und dem Spiel am Wochenende noch alles zu tun ist.

Worin unterscheiden sich diese beiden Positionen, die Sie angesprochen haben?

Es treffen zwei verschiedene Ebenen aufeinander. Die Eltern sind auf der emotionalen Ebene, ihnen geht es um ihr Kind. Und die Trainer sind auf der Sachebene, ihnen geht es um den Fußball. Diese Ebenen müssen zusammengeführt werden, durch eine wertschätzende Kommunikation, die auf Augenhöhe stattfindet.

Was ist für Sie in dieser wertschätzenden Kommunikation zwischen Eltern und Verein unabdingbar?

Informationen! Mit dem Beginn jeder neuen Saison sollte ein Elternabend stattfinden. Die Verantwortlichen des Vereins zeigen damit, dass es eine Möglichkeit gibt, mit ihnen zu reden. Der Trainer kann sein Konzept vorstellen und die Themen und Aufgaben nennen, bei denen er die Unterstützung der Eltern braucht. Und allgemeingültige Infos zum Thema Fußball geben. Denn viele Eltern kennen sich mit dem Fußballumfeld, in das sie ihr Kind geben, oftmals nicht aus, was aber häufig vorausgesetzt wird. Dinge bei meinem Gegenüber vorauszusetzen ist übrigens auch in anderen Kontext oft die Ursache für Konflikte und Missverständnisse …

Man kann bei dieser Gelegenheit auch mitteilen, wann es im Laufe der Saison Gesprächsmöglichkeiten mit den Trainern gibt. Denn direkt nach einem Training oder einem verlorenen Spiel möchte ein Trainer nur ungern angesprochen werden und das muss einigen Eltern auch klargemacht werden. Gleichzeitig lernt der Trainer darüber auch die Eltern kennen, kann bestimmte Situation anders und besser einschätzen. Wichtig ist, dass der Verein damit die ersten Weichen stellt, offen ist, Gesprächsbereitschaft vermittelt, die später bei Konflikten hilfreich sein kann.

Inwiefern?

Ich nenne in diesem Zusammenhang immer gerne ein Beispiel aus der Berufswelt. Sie haben zwei Arbeitskollegen: Mit dem einen gehen Sie hin und wieder Mittagessen, sie kennen seine Hobbys und seine Urlaubsziele. Von dem anderen Kollegen wissen Sie dagegen nichts und sehen ihn nur an seinem Arbeitsplatz sitzen. Mit wem lässt sich ein Konfliktthema wohl besser besprechen? Denjenigen, den ich kenne, kann ich doch viel besser einschätzen. Ich kann vielleicht auch seine Meinung nachvollziehen, da er sie mir besser erklärt und ich seinen Standpunkt besser verstehe, weil wir uns beide eine gemeinsame Ebene geschaffen haben auf der wir wertschätzend miteinander umgehen. Um das zu erreichen, müssen sich beide Seiten bewegen und es braucht Zeit und Geduld. Also keine einmalige Sache.

Lassen Sie uns einen Aspekt herausgreifen: Trainer stören sich vor allem daran, wenn sich Eltern während des Spiel- und des Trainingsbetriebs mit Kommentaren von der Seitenlinie einmischen.

Ja, das ist sicher ein sehr großes Thema. Es gibt natürlich Eltern, die sich ihrem Kind und auch anderen Spielerkindern, Trainern, anderen Eltern und Schiedsrichtern gegenüber abfällig verhalten. Es gibt aber auch, und das darf man niemals außer Acht lassen, genügend Eltern, die sich ganz toll am Seitenrand verhalten und die Mannschaft vorbildlich und wertschätzend unterstützen. Und der Vollständigkeit halber auch Trainer, die man beiden Gruppen zuteilen kann. Man hat sich trotzdem dazu entschieden, gewisse Regeln festzulegen.

Sie sprechen die Fair-Play-Liga und die Elternzone an. Sehen Sie diese Konstellation kritisch?

Meiner Meinung nach wurden Regeln festgelegt an die sich Eltern halten sollen. Aber Eltern sind auch erwachsene Menschen und unter Erwachsenen einfach irgendwelche Vorgaben zu machen ohne sie verständlich und „fühlbar“ zu machen, halte ich für schwierig. Dass dann die Akzeptanz dafür nicht riesengroß ist, finde ich verständlich. Um Regeln einzuhalten, sollte ich sie verstehen und wissen, warum es sie gibt. Das passiert oftmals nicht. Deshalb ist es für mich ein ambivalentes Thema – es ist notwendig, bedarf meines Erachtens eines anderen Informationstransfers.

Was vermissen Sie bei dieser Regelung?

Den gemeinsamen Austausch. Ich fände es besser, öfter mit den Eltern ins Gespräch zu kommen und herauszufinden, warum sie sich in bestimmten Situationen so verhalten, ihnen zu spiegeln, wie sich ihre Kinder mit ihrer Reaktion auf dem Platz fühlen. Diese Frage sollte man den Eltern auch gerne öfter stellen. Das führt zu einem Perspektivwechsel und den finde ich wichtig. Denn Eltern wollen, dass es ihren Kindern gut geht.

Kennen Sie Beispiele von Vereinen, die einen solchen Perspektivwechsel durchgeführt haben?

Ja, mir hat ein Verein mal von so einem Experiment berichtet. Dort haben Spieler und Eltern ihre Rollen getauscht. Die Eltern haben gespielt und die Spieler standen an der Seitenlinie. Und da haben die Eltern dann schnell gemerkt, wie unschön das eigentlich ist, wenn jede ihrer Aktionen von außen kommentiert wird. Ich denke, dass sich viele Eltern gar nicht bewusst sind, was sie mit ihrem Schreien und Brüllen an der Seitenlinie auslösen.

Sie haben in Ihrem Buch verschiedene Elterntypen beschrieben. Wenn Sie ein Idealszenario für beide Seiten skizzieren müssten, wie sähe das aus?

Für Trainer ist es, so wie ich es im Laufe meiner Arbeit immer wieder wahrgenommen habe, hilfreich, wenn sich die Eltern im Fußball ein bisschen auskennen, sich engagieren, aber vor allem den Sport bei ihrem Kind lassen können. Sie begleiten und unterstützen den Spieler, bauen aber keinen Druck auf und überlassen ihm die Entscheidungen, die er rund um seinen Sport treffen muss. Nicht immer leicht, hilft aber bei der Abgrenzung.

Für Eltern ist es wiederum sehr wichtig, dass der Trainer eine gute Dialogfähigkeit besitzt und diese auch signalisiert – dem Kind und ihnen selbst gegenüber.

Empfinden Sie diese Dialogfähigkeit weit verbreitet? Wie haben Sie das als Mutter eines Spielers im Leistungszentrum erlebt?

Tatsächlich habe ich diese Gesprächsbereitschaft, gerade in den Leistungszentren, oft vermisst. Die Haltung war eigentlich immer: „Schön, dass ihr Junge jetzt hier bei uns spielt. Sie brauchen sich um nichts zu kümmern, das machen wir alles.“ Das ist zwar einerseits schön, andererseits im Alltag auf Grund des Zahlenverhältnisses Spieler – Trainerteam, Betreuer, pädagogischer Leiter so individuell nicht umzusetzen. Damit sendet der Verein gegenüber den Eltern schon ein klares Signal. Es gibt ihnen gegenüber auch keine wirkliche Willkommenskultur und ich weiß von vielen, dass sie sich kaum wahrgenommen fühlen. Es beginnt bereits auf der Homepage vieler Vereine. Dort findet sich keine Seite, in der Eltern gezielt begrüßt und angesprochen werden. Eine Sponsorenseite dagegen hat fast jeder Verein. Viele Eltern sehen sich nur in der Rolle, ihr Kind beim Training und zu den Spielen abzuliefern. Die Kommunikation wird auf ein Minimum beschränkt. Bei uns kam es sogar vor, dass wir von einigen Trainern unseres Sohnes im Leistungszentrum nicht einmal die Handynummer erhalten haben.

Jetzt werden vermutlich einige sagen, dass das ab einem bestimmten Alter auch nicht mehr sein muss. Dem stimme ich absolut zu, glaube aber, dass hier oftmals Dinge miteinander verwechselt werden. Ein B- oder A-Jugendspieler soll eigenverantwortlich im Sport sein, gleichzeitig leben viele in diesem Alter noch Zuhause im familiären Umfeld, das somit zwangsläufig Teil des Fußballs ist. Sie zu Themen wie Ernährung, Regeneration, Schlaf, Verletzungen informativ einzubinden, unterstützt den Spieler und erleichtert die Trainerarbeit.

Wie haben Sie den Wechsel Ihres Sohnes Joshua ins Leistungszentrum damals wahrgenommen?

Mir war überhaupt nicht bewusst, was es für den Spieler und die Eltern bedeutet, in einem Nachwuchsleistungszentrum zu spielen. Ich dachte zunächst, unser Junge wechselt von einem in den nächsten Verein. Und vielen anderen Eltern, das weiß ich aus zahlreichen Gesprächen ist es ebenfalls nicht klar, in welches System sie wechseln und welche Veränderungen nicht nur für den Spieler, sondern für das gesamte Familienleben damit einhergehen.

Was hätte Ihnen geholfen?

Informationen und Transparenz. Am einfachsten wäre es meiner Meinung nach, wenn sich Leistungszentren in einer ähnlichen Art und Weise vorstellen wie es Schulen tun, beispielsweise mit einem Tag der offenen Tür. Eltern und Spieler bekämen die Möglichkeit, mal mit Trainern, Spielern, sportlichen oder pädagogischen Leitern und Mitarbeitern zu sprechen. Oder wenn das nicht umsetzbar ist, ein Infoblatt zu erstellen, in dem alle wichtigen Fakten zusammengetragen sind ebenso Telefonnummern und Ansprechpartner. Wie bereits gesagt, wollen Eltern wissen, in welches System sie ihr Kind entlassen – unerheblich vom Alter.

Welche Rolle haben Sie als Elternteil während dieser Zeit eingenommen?

Man wird als Elternteil relativ schnell zum Mentaltrainer, nämlich dann, wenn die Jungs mit ihrem Frust und ihren Emotionen nach Hause kommen, weil sie zum Beispiel auf der Bank gesessen haben oder für das nächste Spiel nicht berücksichtigt worden sind. Konkurrenzkampf gehört zum Fußball natürlich dazu, aber gerade für Eltern, die nicht aus dem Fußball kommen, wäre es hilfreich zu wissen, wie man mit den Jungs in diesen Situationen umgehen soll. Die Spieler geben ja ihre Emotionen nicht mit ihrem Trikot in der Kabine ab, sondern nehmen sie mit nach Hause. Und dort sind Eltern und Geschwister die ersten Ansprechpartner. Die wenigsten machen das mit sich selber aus, sondern lassen ihren Emotionen dann freien Lauf.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Ich konnte Joshuas Stimmungslage immer gut daran erahnen, in welcher Art und Weise und mit welcher Wucht er den Kofferraum zugemacht hat. Dann wusste ich, ob alles gut ist, ob er seine Ruhe haben möchte oder ob Redebedarf besteht. Ich habe meinen Sohn immer den Anfang machen lassen. Wollte er reden, haben wir geredet. Hat er geschwiegen, dann haben wir geschwiegen. Ist aber auch eine Typsache. Ich konnte und kann so etwas gut aushalten.

Konnten Sie die von Ihnen angesprochene Rolle als Mentaltrainer gut ausfüllen?

Dadurch, dass ich keine Fachfrau bin und auch nicht mit am Fußballplatz stand, konnte ich viele Situationen nicht richtig einschätzen. Somit hatte ich meist den Blick von außen auf den Fußball. Ich habe Joshua zugehört, wenn er über seine Situation sprechen wollte. Gleichzeitig habe ich ihm immer mit an die Hand gegeben, dass er auch die Möglichkeit hat, mit seinem Trainer zu sprechen und ihn darin auch bestärkt, wenn es um ein Problem ging, das ihn wirklich beschäftigt hat. Natürlich machen sich die Jungs auch Gedanken darüber, was passiert, wenn ich meinen Trainer auf diese oder jene Thematik anspreche? Welche Konsequenzen kann das für mich haben? Kommt das Anliegen, das ich habe, vielleicht schlecht beim Trainer an?

Vielen Dank für das Abdrucken des Interviews auf meinem Blog!