Wie viel Individualität braucht der Fußball?

Nach Meinung vieler Fachleute auf jeden Fall mehr, als wir aktuell haben. Und das nicht erst seit dem WM-Aus 2018. Einer, der sich neben zahlreichen anderen Trainern den Künstler, den sogenannten „Straßenfußballer“ wieder wünscht, ist Nico Kovac, Trainer vom FC Bayern München.

Ihm fehlen die Individualisten auf dem Platz, die überraschende Lösungen im Spiel anbieten, aber ebenso die Jugendtrainer, die ihren Spielern eben dieses vermitteln.

Um dort hinzukommen, sind Veränderungen nötig. Erfolgreiches Lernen braucht das Sammeln eigener Erfahrungen, das Ausprobieren, das Fehler machen dürfen, das Scheitern und die Fähigkeit eigene Lösungsmodelle zu entwickeln. Gilt das auch für den (Jugend-)Fußball? Ich glaube ja!

Bereits in der Jugend ist das mit der Individualität nicht so einfach, werden Spielsysteme oftmals vorgegeben und selten erarbeitet. Aus eigener Erfahrung mit unserem Sohn und einigen seiner Mitspieler weiß ich, wie schnell ein Spieler vom Platz gestellt wird, wenn er die von Kovac geforderte Kreativität an den Tag legt, sein Trainer die aber nicht wünscht.

Was braucht es fürs Lernen?

Das bedeutet nun aber nicht, dass ein Fußballtraining ein Selbsterfahrungscamp ohne Struktur werden soll und Anarchie ausbricht. Eben in den genannten Lernprozessen sind die Trainer sehr wichtig, geben sie die Struktur vor, bilden den Rahmen, in dem sich die Spieler bewegen, sind sie Gesprächspartner, wenn es um den Austausch geht, um die Umsetzung der gemachten Erfahrungen. Gelingt diese Umsetzung – übrigens lässt sie sich auch gut auf andere Lebensbereiche übertragen – stärkt sie die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit.

Etwas, was auch bei vielen Profis häufig als fehlende Elemente zu beobachten sind. Da braucht man nur die zahlreichen Artikel nach dem Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft aus der WM 2018 zu lesen, die das oft bemängeln.

Wie schaut es bei den Profis aus?

Per Mertesacker hat dazu in seinem Buch „Weltmeister ohne Talent“ einige Beispiele aufgeführt. Er berichtet, dass es vielen seiner Kollegen daran mangelt, über den Tellerrand zu schauen, z. B. eigenverantwortlich auf ihren Körper zu schauen, was er braucht, um fit zu bleiben, welche Ernährung leistungsfördernd ist, wer über das normale Trainer- und Funktionsteam hinaus mit ihnen an ihren Stärken und Schwächen arbeitet … Yoga, damals von Jürgen Klinsmann in die Nationalmannschaft mitgebracht, wurde von vielen belächelt. Wie sinnvoll es ist, bestätigen die, die sich dem geöffnet haben, noch bis heute. Er übrigens auch …

Wenn es bei den „Großen“ oftmals – noch – schwerfällt, wie können wir dann erwarten, dass es die „Kleinen“ in der Jugend gut und vor allem schnell umsetzen?

Egal wie wir es drehen und wenden – am Erlernen von Individualität geht kein Weg vorbei, wenn sich der Fußball weiter entwickeln will.

Was genau das in und für die Jugend bedeutet, habe ich in einem Interview von Martin Jedrusiak-Jung erfahren, was ich mit ihm letzte Woche geführt habe. Wir haben uns vor ein paar Wochen auf einer Trainerfortbildung kennengelernt, auf der wir beide als Referenten eingeladen waren und mich hat sein Vortrag neugierig gemacht. Er ist Fußballdozent im Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten an der DSHS Köln, langjähriger Sportlicher Leiter und Trainer und war bis zur Saison 2017/2018 Co-Trainer der U17-Nationalmannschaft. Mehr dazu in meinem Blogpost nächste Woche …