Wie wichtig Herausforderungen im Alltag sind

In einer der letzten Wochenendausgaben des Kölner Stadtanzeiger lese ich den Artikel „Umsonst und draußen“ von Claudia Lehnen, KSTA, 19./20.5.2018, S.3, der mich irgendwie fesselt. Es geht um das Thema Mikroabenteuer. Hatte ich vorher noch nie bewusst wahrgenommen.

Alastair Humphrey ist der Vorreiter dieser Idee und vor Jahren auf den Geschmack gekommen: kleine Fluchten aus dem Alltag raus in die Natur, die nichts kosten, uns aus unserer Komfortzone herausholen und somit neue Herausforderungen überwinden lassen. Das Schlafen in einer Hängematte im Park, sich mit dem 200 Kilometer entfernt wohnenden Freund zum Essen verabreden, den Weg dorthin mit dem Fahrrad zurücklegen oder von A nach B mit dem Kanu paddeln …

Was machen Herausforderungen mit uns?

Beim Lesen triggern mich zwei Dinge an: Die Neugierde es einfach mal auszuprobieren. Und die Vorstellung, die Zufriedenheit danach zu spüren, weil ich die Herausforderung gemeistert habe. Jetzt sagen wahrscheinlich viele von uns:
„Herausforderungen habe ich täglich im Job und im privaten Umfeld genug. Da muss ich mir nicht noch weitere antun.“
Ja, stimmt. Dennoch gibt es hier einen Unterschied: Die sind oftmals nicht selbst gewählt, und wenn es gut läuft, machen sie uns auch zufrieden.
Ein Mikroabenteuer aber suchen wir uns selbst aus und es geschafft zu haben, lässt uns das Gefühl der Selbstwirksamkeit erleben. Was uns nicht nur glücklich macht, sondern uns auch erholt. Dazu kommen weitere positive Aspekte wie Entschleunigung, schöne Erinnerungen, Wissenserweiterung und Ausgleich. Egal, ob freiwillig oder auferlegt:
Herausforderungen stärken unser Selbstwert- und Glücksgefühl.
Ähnlich ist es auch bei unseren Kindern. Viele Eltern möchten ihre Liebsten in Watte packen, wollen, dass sie nur positive Erlebnisse haben und die Ecken und Kanten, gegen die sie laufen, schön abgerundet und weich gepolstert sind. Viele Situationen räumen wir unseren Kindern bereits im Vorfeld aus dem Weg. Ist das wirklich sinnvoll?
Kinder brauchen Herausforderungen, um wachsen zu können, um sich in unserer Gesellschaft zurechtzufinden.

Je früher sie das erlernen, desto besser kommen sie mit den Nachfolgenden zurecht. Gleichzeitig sammeln sie mit jeder Weiteren neue Erfahrungen. Entweder dadurch, dass sie einen Weg wählen, der sie ans „Ziel“ bringt. Oder merken, dass das gewählte Vorgehen nicht so optimal ist und nicht zur Zufriedenheit führt. Egal wie, sie lernen auf jeden Fall etwas fürs nächste Mal.

Im Jugendfußball ist das nicht anders

Auch hier steht der Spieler*In vor Herausforderungen: die Beidfüßigkeit gelingt noch nicht so gut; der beste Freund schießt mehr Tore als er/sie selbst; der Stammplatz ist nach der Verletzung nicht mehr so sicher; der Trainer hat sie/ihn für das kommende Spiel nicht aufgestellt …
Ich erlebe häufig, dass Eltern versuchen Angelegenheiten ihrer Kinder für sie mit dem Trainer zu regeln. Gerade diese Auseinandersetzung zwischen Trainer und Spieler wünsche ich mir oft für die jungen Menschen. Sie wissen am Besten, was sie wollen. Sie können entscheiden, ob sie etwas verändern möchten. Sie sind mitverantwortlich, die Situation neu und anders zu gestalten. Was gibt es Schöneres als z. B. das Lob vom Trainer, dass der Schuss mit links jetzt fast so gut wie mit rechts klappt, nachdem der Kicker für SICH entschieden hat, daran arbeiten zu wollen?

Intrinsische Motivation ist hier das Zauberwort …

Und in den zahlreichen Lernprozessen ein bisschen mehr Zu- und Vertrauen in unsere Kinder zu stecken, ist schon ein großer Schritt in die richtige Richtung. Denn das lässt sie bereits vieles erreichen.

Ich glaube, ich werde an einem der nächsten warmen Abende draußen schlafen. Fange mal mit dem Balkon an, bevor ich den Garten wähle. Vielleicht leistet mir unser Hund Gesellschaft …

Mehr zu meinen Erfahrungen und Gedanken findet Ihr in meinem Buch Ins Netz gegangen – Mein Leben mit einem Nachwuchskicker zwischen Schulbank und Torjubel .