Hätte, hätte, Fahrradkette …

Obwohl die WM 2018 in Russland noch in vollem Gange ist, ist sie für viele seit dem Ausscheiden der deutschen Mannschaft vorbei. Mein Mann, die Unke, erwähnt bereits vor Wochen, dass DIE MANNSCHAFT nicht über die Vorrundenspiele hinaus kommen wird. Ich dementiere heftig, glaube ich doch, dass unter dem Einfluss der Turnieratmosphäre Leben in die Geister der Spieler zurückkehren wird. Doch muss auch ich mir eingestehen, dass das Mexikospiel desolat ist. Gegen Schweden schöpfe ich wieder Hoffnung und Südkorea muss nicht weiter erwähnt werden …

Neben den von der Fachpresse ausführlichst beleuchteten Defiziten, fehlt mir eins ganz gewaltig: der Zusammenhalt in der Mannschaft, eben DIE MANNSCHAFT. Für mich am Besten im Fehlpass von Toni Kroos gegen Schweden zu erkennen. Da kommt keiner seiner Mitspieler, motiviert oder bestärkt ihn. 2014 hätte es so etwas nicht gegeben. Schweinsteiger, Lahm, Mertesacker und Poldi – mental von der Bank – hätten ihrem Teamgefährten auf die Schulter geklopft und ein „Auf geht’s! Jetzt erst recht!“ zugerufen. 2018 stehen Spieler auf dem Platz – jeder in seinem Verein herausragend – die mich an viele „Ich-AGs“ erinnern. Jeder für sich und keiner für alle. Schade, es hätte so schön sein können …

Artikel, die die Geschehnisse in der Nationalmannschaft auf die Gesellschaft spiegeln, häufen sich. Was würden die Journalisten schreiben, wären wir weitergekommen? Die Diskussion, was brauchen wir, was müssen wir verändern, wo wollen wir hin, ist vollends verständlich und auch wichtig. Besonders für die Aufarbeitung nach einem Misserfolg ein unverzichtbarer Schritt. Einfach so weitermachen – ein absolutes No Go.

Der Blick nach vorne …

Schwierig und nur energieraubend ist der beständige Blick in die Vergangenheit. So Sätze wie „… haben wir es nicht kommen gesehen?“ oder „Die Testspiele hätten Warnung sein sollen …“ sind Fakt, führen dennoch nicht wirklich weiter. Als systemischer Coach richte ich den Blick auf die Gegenwart und die Zukunft. Dabei kann mir helfen zu schauen, wie ich mit ähnlichen Situationen früher umgegangen bin, was und wer mir dabei geholfen hat meine Kompetenzen und Ressourcen zu stärken. Doch findet die Arbeit im Hier und Jetzt statt. Aus meiner Coachingausbildung nehme ich vor Jahren einen sehr markanten Spruch mit, der es für mich auf den Punkt bringt:

„Den vergangenen Dienstag kann ich nicht verändern, ich kann dennoch den kommenden Dienstag gut für mich gestalten!“

Das kann im übertragenen Sinne auch der Nationalelf gelingen. Wenn … Ja, wenn die Beteiligten WIRKLICH wollen. Denn Veränderungsprozesse brauchen den Willen nach Veränderung und die Bereitschaft neue Wege zu entwickeln und zu gehen. Als Kopf der Truppe natürlich allen voran: Jogi Löw.
Kann er sich für sich persönlich Veränderungen vorstellen und diese auch umsetzen? Veränderte Spielformen, Trainingsmodule, etc. zu seinen machen, um eine Wende einzuleiten? Möglicherweise neue Mitarbeiter in seinem Stab und Spieler im Team? Lieb gewonnene Eigenschaften loslassen, um Platz für Neues zu schaffen?
Ich wünsche mir für ihn, die Mannschaft und uns, dass DAS grundlegende Gedanken seine Entscheidung weiterzumachen sind, und nicht bestehende Verträge und gutes Zureden.

Da er natürlich nicht allein für den deutschen Fußball verantwortlich ist, sollte sich so wie Löw jeder im Trainerteam, Betreuungsstab, DFB und natürlich unter den Spielern hinterfragen. Und ehrlich mit sich sein und geduldig. Denn, dass es Zeit braucht, bis die Wunden verheilt sind und wieder so ein Team wie 2014 auf dem Platz stehen wird, sollte den Verantwortlichen bewusst sein …

Am meisten tut mir die Niederlage für Marco Reus leid. Die WM 2014, EM 2016 und einige Qualifikationsspiele in der Vergangenheit aufgrund von Verletzungen verpasst, hat er gezeigt, was in ihm steckt. Ich an seiner Stelle wäre stinksauer auf meine Kollegen, die mir das genommen haben …

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