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Wirkt sich unser Schulsystem leistungslimitierend auf die Ausbildung im Jugendfußball aus?
Die Ausbildung junger Nachwuchsfußballer*Innen in Deutschland wird derzeit gehörig unter die Lupe genommen. Das macht auch der kicker-Artikel Der deutsche Fußball wird links und rechts überholt, von Thomas Hennecke vom 7.2.19. Generell finde ich es wichtig, Systeme regelmäßig auf ihre Funktionalität und Nachhaltigkeit zu überprüfen. Dann sollte jedoch entsprechend gehandelt und nicht nur formuliert werden, was sich vielleicht/eventuell ändern sollte/müsste. Zu dem heutigen Thema möchte ich eins vorneweg klarstellen:
Mir ist ein Schulabschluss neben dem Leistungssport unglaublich wichtig. Ob es der Realschulabschluss oder das (Fach-)Abitur ist, hängt vom Schüler/Spieler ab.
Wir sollten nur immer vor Augen haben, dass Leistungssportler zwei Ausbildungen absolvieren.
Lars Ricken, Nachwuchskoordinator bei Borussia Dortmund, formuliert einen Aspekt, der in den aktuellen Diskussionen bisher unerwähnt bleibt. […] dass deutsche Spieler im internationalen Vergleich u. a. aufgrund des Schulsystems ein bis zwei Jahre hinterherhinken […]
Bisher gibt es immer nur den Ruf, dass Spieler einen Schulabschluss erreichen und einen Plan B haben sollen.
Wie anstrengend, teils leistungslimitierend das im Fußball und im schulischen Bereich für den einen oder anderen sein kann, darüber machen sich die wenigsten Gedanken.
1. Die Ganztagsschule
Ich kenne einige Sportler, nicht nur Fußballer, die vor der Schule bereits 1-2 Stunden trainieren, anschließend 6-8 Stunden in der Schule sitzen, bevor es dann ins eigentliche Training geht. Und hier muss er/sie alles geben, um den Trainer zu überzeugen und am Wochenende auf dem Platz stehen zu können. Das machen sie nicht ein Mal pro Woche, sondern bis zu vier Mal. Für mein Buch habe ich damals recherchiert, dass mit Training, Spielen, An- und Abreisen, zusätzlich zur Schule mit durchschnittlichen 33 Wochenstunden noch bis zu 30 Stunden hinzukommen. Individualtraining, Vorbereitung auf Klausuren oder Freizeit nicht eingerechnet …
Gehen die Jugendspieler auf eine Schule, die eine Kooperation mit dem Verein hat, ist es durch Unterstützung der pädagogischen Leiter einfacher, die beiden Ausbildungen miteinander zu verzahnen. Da sie mit Einstieg ins Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) jedoch nicht wissen, wie lange sie dort bleiben werden und meist nicht aus der unmittelbaren Nähe kommen, scheuen einige den Wechsel auf eine Kooperationsschule aufgrund dieser Ungewissheit. Gleichzeitig sind auch nicht für alle Spieler Plätze vorhanden.
Für einen Spieler, der weiterhin auf seine „normale“ Schule geht, sieht das oftmals anders aus. Hier muss er zusammen mit seinen Eltern meist alleine schauen, wie er Schule und Fußball unter einen Hut bekommt.
Das größte Problem, was ich neben der Organisation sehe, ist die fehlende Wertschätzung den jungen Menschen gegenüber.
2. Lehrer und Trainer wissen wenig voneinander
Aus Erfahrungen mit meinem Sohn weiß ich, dass die wenigsten Lehrer eine Vorstellung davon haben, was ein Jugendspieler leistet, wie viel Zeit und Kraft er neben der Schule für seinen Sport aufbringt. Umgekehrt wissen viele Trainer wenig über das heutige Schulsystem mit Ganztagsschule, dass die Spieler bereits einen „Arbeitstag“ hinter sich haben, wenn sie zum Training kommen. Aus dieser Unwissenheit können beide Seiten wenig Verständnis für Situationen, Probleme, Sorgen, Nöte aufbringen. Hier würde ich mir mehr Informationsaustausch und Transparenz wünschen. Und damit das gelingt, mehr Mitarbeiter in NLZs, die sich um JEDEN Spieler kümmern können.
Jemand, der einen Leistungssport neben der Schule ausübt, der durchläuft zwei Ausbildungen. Wieso wird das in unserer Gesellschaft so selten positiv bestätigt? Gerade im Fußball? Ich habe zahlreiche Diskussionen mit Lehrern geführt, ob unser Sohn nicht weniger Fußball spielen und dafür mehr für die Schule machen könnte. Dass wir uns nicht wundern sollten, dass das mit der Schule nicht so klappt, wenn wir unserem Kind erlauben auf dem Leistungsniveau zu spielen. Unterstützung sieht für mich anders aus. Joshua hatte nur eine Handvoll Lehrer, die seinen Ambitionen wohlwollend gegenüberstanden.
Wir sind dem Wunsch der Lehrer nicht nachgekommen und haben unseren Sohn weiter spielen lassen. Denn ich glaube nicht daran, dass jemand Energie in etwas hineinsteckt, das er nicht so gerne tut, wenn ich ihm etwas von seiner großen Liebe und Leidenschaft abzwacke. Das wäre ja so, als würde ich meinem Mann sagen, er möge in seiner Freizeit weniger Motorradfahren und dafür mehr im Haushalt machen. Na, der würde sich bedanken … Dennoch ist der Umgang vom Einzelnen abhängig und ich kann nur für uns sprechen.
3. Die Spieler*Innen als Individuen mehr im Blick haben
Nach 12 Jahren im Jugendbereich, davon fünf Jahre in verschiedenen NLZs, habe ich unglaublich großen Respekt vor den jungen Menschen, die den Weg des Leistungssports neben der Schule gehen.
Ich bewundere sie dafür, jeden Tag mit Spaß und Energie den oftmals schwierigen Alltag zu bewältigen.
Bei den vielen Diskussionen um die Jugendarbeit – lasst uns die Jungen und Mädchen nicht vergessen und schauen, wie und wo wir es ihnen ein bisschen leichter machen können, damit sie den Herausforderungen gewachsen sind und vor allem die Leistung zeigen können, die die Verantwortlichen sehen wollen. Ich meine damit nicht, dass sie keinen Schulabschluss, kein Praktikum, etc. machen sollten. Ganz im Gegenteil. Wir sollten schauen, das wir ihnen Alternativen anbieten und sie beides optimaler miteinander verbinden können …
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