Die Ecke – das Mysterium
Es gibt da etwas, das mich fasziniert und irgendwie nicht loslässt – egal, ob bei einem Jugendfußballspiel oder einem Spiel der Profis im Fernsehen: Die Rede ist von der Ecke, auch Eckstoß genannt.
Eine Ecke gibt es, wenn der Ball über die Torlinie rollt und als letztes ein Spieler der verteidigenden Mannschaft dran war. Durch eine Ecke kann ein Tor erzielt werden, und sie gehört zu den Standardsituationen. Die Mannschaft, die sie schießt, freut sich und der Gegner macht nervös die Abwehr dicht.
Ich lebe bisher in dem Glauben, dass gerade Standardsituationen bis zum Umfallen geübt werden. Meist sind es die immer gleichen Spieler, die sie schießen. Eigentlich würde ich denken, dass sie sehr genau wissen, wo ihr Kumpel steht, in welcher Höhe er den Ball optimal treffen kann, wie lang/kurz er gespielt sein sollte. Häufig ist vom langen und kurzen Eck die Rede. Und hier wird es spannend…
Ist es vielleicht gar nicht so einfach?
Woran liegt es, dass viele Schüsse so wirken, als hätte der Spieler sie noch nicht oft trainiert? Oder wird den Ecken viel zu große Bedeutung beigemessen, wie Chris Anderson, Professor und Sportanalyst zusammen mit seinem Kollegen David Sally in seinem Buch „Die Wahrheit liegt auf dem Platz: Warum (fast) alles, was wir über Fußball wissen, falsch ist“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2014 beschreibt:
[…]Eckbälle sind relativ ungefährlich. Nur wenn Du Trainer fragst oder Spieler, egal in welchem Land, die sagen alle: Eckbälle müssen wir üben. Das sind ganz gefährliche Situationen. Statistisch gesehen sind sie relativ ungefährlich.“ […]
Kurzum: Was ist die Trainingsphilosophie dahinter?
Oder ist eine Ecke genau so ein Glückstreffer wie jedes Elfmeterschießen? Weshalb landen so wenig Ecken im Kasten? Oder sind es gar nicht so wenige, die reingehen und es ist eher meine Wahrnehmung? Obwohl, letzteres glaube ich nicht, denn unser Freund Frank, mit dem ich über die Jahre doch einer nicht unerheblichen Zahl an Jugendspielen beigewohnt habe, sieht es ähnlich. Und er hat sehr viel Ahnung von Fußball. Doch ist er in diesem Fall auch immer wieder ratlos…
Wer kann mir helfen und mich in die Welt der Eckstöße einführen? Freue mich über zahlreiche Erklärungen und Belehrungen… 🙂 Gerne als Kommentar oder per Mail
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Hallo, sehr interessant Deine Ausführungen und Wasser auf meine Mühlen. Wie oft habe ich Diskussionen mit meinen Spielern (A-, B-Junioren, Kreisebene) über das Training von Standards, insbesondere Ecken. Ich habe mal mitgezählt: In einem Jugendspiel hatten bisher meine Mannschaften und die der Gegner zwei bis fünf Eckbälle. Also ein äußerst geringer Anteil am Spielgeschehen. Zweitens ist ein Eckball doch sehr anspruchsvoll. Erstmal für den Ausführenden, der den Ball in einen möglichst vorher vereinbarten Raum schlagen sollte, zweitens für den Vollender, der vermutlich nur mit einem präzisen Kopfstoß, Fallrück- oder Seitfallzieher abschließen kann und drittens gegen einen massiert und stabil vor dem eigenen Tor stehenden Gegner. Tore gelingen oft dann, wenn Spieler, insbesondere Verteidiger, eingreifen, die man dort vorne nicht erwartet, wie z.B. Martinez (BAY) oder Ramos (RMD). Aber jeder, der die Kreisebene kennt, wird mir zustimmen, dass diese Fähigkeiten und Qualitäten dort nicht sonderlich ausgeprägt sind. Also ist ein hoher Trainingsaufwand mit einer erwartbar sehr geringen Wertschöpfung notwendig. Daher versuche ich mit meinen Mannschaften einfach mit einer kurzen Ecke eine neue Spielsituation zu erzeugen oder überlasse das ganze Eckballspiel dem Zufall. Naja ein paar Tipps gebe ich dann schon im Training, z.B. im Abschlussspiel. Und dann kommt das, was das Fußballspiel so ausmacht: Einer meiner Spieler verwandelte einen Eckball direkt! Und dass er das wollte, sah ich dem Schlitzohr vorher an! Fußball ist wie eine Pralinenschachtel…
Lieber Bernd,
vielen Dank für Deinen Kommentar und Deine Ausführung – jetzt wird mir das Thema eine bisschen klarer…:-)
Musste soeben lachen bei deiner Ausführung – weil genau gleich geht es mir auch 🙂
Ich selbst bin Trainer von Aktiven in der Schweiz – tieferes Niveau – und lasse Ecken sehr gerne trainieren.
Zum einten lasse ich die Spieler hierbei in 2 gegen 2 Situationen antreten um diese „zum Kopfball“ zu zwingen. Wie überall gibt es Spieler welche gerne Kopfball spielen und solche welche es nicht gerne tun. Gleiches gilt für das Können sowie für das Timening der jeweiligen Spieler.
Daneben lasse ich Eckballvarianten trainieren um den Faktor Zufall zu minimieren und den Faktor WILLE zu stärken.
Defensiv gesehen: Wir erhielten bis vor 1.5 Jahre sehr viele Tore aus Standartsituationen. Das Problem war oftmals, dass die Spieler bereits vor der Ausführung ein ungutes Gefühl hatten da man das letzte und das vorletzte Spiel auch bereits ein Tor aus einer ähnlichen Situation bekommen hatte.
So stellte ich z.B. bei Ecken von Manndeckung auf Raumdeckung um mit den stärksten Kopfballspielern sauber verteilt um den 5-Meter Raum.
Seither ist die Abstimmung der Spieler viel besser und viel wichtiger, die Spieler wissen dass sie es können und so sind wir nun seit über einem Jahr „Standartgegentorlos“
Offensiv gesehen: Im Juniorenbereich und im unteren Aktivbereich benötigt es oftmals einen Fehler der verteidigenden Mannschaft oder einen nahezu perfekten Eckball UND Abschluss. So gibt es Ausnahmekönner welche dies echt drauf haben, diese findet man aber eher selten in der eigenen Mannschaft *zwinker*. So gilt dort für mich die Möglichkeiten nach dem Können der eigenen sowie der gegnerischen Spieler auszuschöpfen und die trainierte Eckballvariante so näher ans Ziel – in diesem Fall dem Torerfolg – zu bringen.
Und wie es der Zufall wollte haben wir in den letzten 3 Spielen 2 Eckballtore erzielt, eines davon wie von Bernd als Pralinenschachtel verpackt direkt und das andere durch eine eingespielte Variante.
Und auch wenn eine direkte Ecke riesig Freude macht, war der Jubel über die Eingespieltheit der Variante deutlich grösser weil die Spieler erneut merkten, dass es nur dann funktioniert, wenn man es versucht und daran glaubt.
Hallo Dani,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Hat mir noch mal einen guten Einblick in die Thematik Ecke gegeben. Irgendwie ist und bleibt sie spannend… Viel Erfolg für Dich und Deine Mannschaft und Grüße in die Schweiz