Was macht eigentlich ein Jugendfußballtrainer?
Nachdem ich mir in meinem letzten Post die Eltern neben dem Spielfeld angeschaut habe, geht es heute um die Menschen, die für den Spieler ebenso wichtig sind. Sie werden in den Himmel gelobt, wenn’s gut läuft. Sie werden in Frage gestellt, wenn sie die Erwartungen nicht erfüllen. Ihre Köpfe rollen schneller als man – und vermutlich auch sie selbst – schauen kann.
Die Rede ist vom Trainer!
Im Jugendfußball geht es nicht so dramatisch und öffentlich zu, aber erlebe ich auch hier, dass von jetzt auf gleich der Trainer ausgewechselt werden kann.
- der, der das Gespräch mit den Eltern liebt
- der, der den Spaß für den Fußball bei meinem Sohn geprägt hat
- der, der ein guter Kommunikator mit den Spielern ist
- der, der seine Spieler schätzt, ihnen das aber nicht verbal vermitteln kann – und mir auch nicht
- der, der hart, aber herzlich und im Dialog ist
- der, der den ganzen Spieler sieht – auf und neben dem Platz
- der, der von Pädagogik noch nicht wirklich viel gehört hat
- der, der von den Eltern nicht angesprochen werden möchte
- der, der so unnahbar ist, dass ihn eine Aura umgibt wie „die Götter in weiß“
Vielen Eltern fällt es schwer, die Arbeit des Coachs wertschätzend zu betrachten. Für sie trainiert er 3-5 Mal je nach Alter anderthalb bis zwei Stunden mit den Kindern auf dem Platz und steht am Wochenende am Spielfeldrand. That’s it.
Aus einer heterogenen Horde junger Spieler eine Mannschaft zu machen, ist schon eine große Herausforderung.
Dieses vergleichbare Szenario mehrmals in der Woche auf dem Rasen zu stämmen, findet schon meine Achtung. Dass zu diesem Job noch viel mehr gehört, wird mir erst in meinen Gesprächen mit aktiven und ehemaligen Trainern, Jugendleitern und anderen Verantwortlichen deutlich.
- Trainingsvor- und nachbereitung
- Spielvor- und nachbereitung
- Schiedsrichterteam betreuen
- Kleinfeld abstecken (bis D-Jugend)
- Materialpflege
- Spielerpass beantragen
- tägliches Meeting des Trainerteams
- Saison- und Kaderplanung
- Spiel-Scouting
- Spieler-Scouting
- Scouting-Berichte schreiben
- Turnierplanung
- Fortbildung
- Meeting mit Vereinsführung, Trainerkollegen
- Spieler-/Elterngespräche
- Networking
- Vormittagstraining (in NLZ)
Viele Coaches üben ihre fußballerische Tätigkeit noch NEBEN einem Fulltime-Job aus. Oft ehrenamtlich, ohne Vergütung.
Warum tun sie sich das an?
Ich bin ganz ehrlich: Ich stehe DEM Coach im Allgemeinen ambivalent gegenüber.
Als Coach sehe ich das Potenzial und will vielen zurufen:
Macht es Euch leichter, nehmt die Eltern mit ins Boot und nutzt sie für Eure Arbeit. Viele wissen gar nicht, was Ihr alles macht!
Wie? Durch eine effiziente und dialogfähige Kommunikation. Hört sich komplizierter an, als es ist. Und ich weiß, dass die Umsetzung einigen Eltern und Trainern nicht so leicht fällt. Bereits mit einfachen Mitteln kann das gelingen. Sicherlich nicht mit allen Vätern und Müttern. Doch versucht es mit denen, die wollen. Werdet zu Partnern! Denn Spieler, Trainer und Eltern sitzen alle in einem Boot…
Wie siehst Du als Trainer Deinen Job? Was fasziniert Dich? Wo siehst Du Handlungsbedarf? Wie ist Deine Erfahrung als Elternteil mit der Trainerwelt?
Schreib mir unter info@ins-netz-gegangen.info
Hallo Frau Amar,
ich wurde durch eine Fußballgruppe über facebook verleitet, mir ihren Beitrag mal näher anzuschauen und hinterlasse mal ein positives Feedback, nachdem ich sehr gerne durch ihren verständlich, und ziemlich treffend formulierten Post gelesen habe.
Ich habe selber gespielt; und bin schon länger als Trainer im Jugendbereich tätig. Ich kann vielleicht nochmal aus einer anderen Sicht kommentieren:
Ich berichte mal von meiner Anfangszeit. ich kann mich auch durchaus so beschreiben, dass ich engagiert, „heiß“ war, (über) organisiert, theoriebezogen. Unpädagogisch, streng und leistungsorientiert. Ich mied Kommunikation außerhalb des Muss bzw. handelte schnell ab, das Trainer-Sein war mehr eine professionelle Nebentätigkeit. Ich wollte Erfolg und Anerkennung als Trainer und Coach. Nach einiger Zeit und Routine erkannte ich jedoch schnell, dass die Mannschaft und der Spieler mehr zählen. Du fängst an, die Stunden nicht mehr penibel zu planen, zu strukturieren. Spiele und deren Wertigkeit flexibel einzuschätzen. Ich verstand, dass Eltern auch was tun wollen, Trainer unterstützen wollen. Offener Kontakt und viel Kommunikation halfen sehr. Auf einmal waren die am Rand stehenden Eltern nicht mehr nur Leistungserwarter, Beobachter und Prüfer, wie du deinen Job mit dem Fußball- Beibringen und der Kindeserziehung machst, sondern informierten, berieten und, vor allem, positionierten sich stets hinterm Trainer. Aus einer unterschwelligen Spannung wurde eine starke Allianz, so war mein Gefühl, und parallel liefen Training und Umsetzung, Spielerentwicklung und Sozialverhalten etc. kontinuierlicher und verbesserten sich.
Mein Interesse galt mehr und mehr dem Wohl und Befinden meiner Spieler.
Ich verstehe es: Ja, für Eltern ist ein unnahbarer, uneinschätzbarer oder undurchschaubarer Trainer kurios, suspekt der manchmal zu unheimlich, schließlich betreut er für eine Zeit mein Kind. JA, Ein schlechter Kommunikator lässt Eltern machtlos, untätig, scheint alles für sich zu bestimmen. Und JA, Ein Trainer ohne päd. Auge sieht mein Kind nicht als heranwachsender Mensch, zeigt kein Herz oder Emotion. (Es gibt gute Gründe und ich würde mir gern die Mühe machen, sie zu schildern. Dies würde hier jedoch den Rahmen sprengen.)
Zum Schluss: EIN Trainer aus meinem Verein, wird erst zu DEM Trainer und dann, zu MEINEM Trainer! Der Prozess braucht Zeit, Entwicklung braucht immer Zeit.
lg
Lieben Dank für den ausführlichen Kommentar. Und ich bin sehr beeindruckt, wie offen Sie über Ihren „Wandel“ schreiben. Wie Sie selbst erfahren haben, hilft Kommunikation dabei Veränderungen zu bewirken. Was vielleicht anfangs nicht immer leicht ist, nicht sofort gelingen will, aber im gemeinsamen Anpacken für beide Seiten – wenn sie denn wollen – positiv verlaufen kann. Bei ihnen verlaufen ist bzw. verläuft. Ein tolles Beispiel wie Eltern und Trainer zu Partnern werden können…