Der Fußballplatz als Laufsteg

Vor ein paar Tagen erhalte ich eine Nachricht von meiner Freundin Karin mit folgendem Inhalt:

„Der Fußballplatz als Laufsteg: Helfen hippe Frisuren, coole Schuhe und stylische Rucksäcke beim Tore-Schießen?

Ich bin persönlich betroffen…“

Zur Erklärung: Sie ist Mutter eines elfeinhalbjährigen Sohnes, dem Fußball über alles geht und der seit Bambini im Verein spielt.

Sind die Kids jünger, laufen sie wie Papageie über den Fußballplatz: Alle bunt gekleidet, jeder trägt, was ihm gefällt, nur cool muss es in ihrem Sinn sein. Da verstehen wir Eltern oft nicht, warum zum Lieblingstrikot nur die grellgelben Fußballschuhe und die grüne Hose passen können. Bei dem einen oder anderen Spieler beginnt sich der Label-Wahnsinn langsam auszuprägen.

Werden sie älter, wollen sie nicht nur wie ihre Idole Fußball spielen, sondern auch neben dem Platz so aussehen. Kommt natürlich daher, dass auch die Fußballer in ihrer Freizeit nicht mehr nur im Jogginganzug herumlaufen, sondern mittlerweile die Modewelt diktieren.

David Beckham ist einer der Ersten der Glamour in die Welt des Ballsports bringt. Inspiriert durch seine Frau Victoria, ehemaliges Spice Girl und jetzt erfolgreiche Designerin, gibt er vor, was viele Jungs in Kleiderschränken haben. Und das bis heute, aber nicht nur bei den Klamotten, sondern auch beim Haarstyling.
Mein Friseur erzählte mir mal vor Jahren: „Ich muss gar nicht wissen, wie Beckham gerade sein Haar trägt. Das sagen mir schon die Jungs, die in meinen Laden kommen und ganz genau wissen, wie ich es schneiden soll, damit sie so aussehen wie er.“

Apropos Frisur: Ich bin jedes Mal verwundert, wie gestylt die Fußballer – egal ob Profis oder Nachwuchs – Kopfbälle kicken und das Haar danach noch immer perfekt sitzt. Die EM lieferte zahlreiche Momente. Erinnert mich immer an die „Drei Wetter Taft“-Werbung…

Mittlerweile sind Spieler wie Jérôme Boateng, Leonardo Bittencourt oder Pierre-Emerick Aubameyang die „Fashion Victims“ im deutschen Fußball. Sneakers, ausgefallene Klamotten, Brillenkollektionen, coole Beats- Kopfhörer, MCM und Louis-Vuitton-Rucksäcke oder -Weekender lassen die Herzen vieler Jungs höher schlagen. Gerne würden sie die Items ihr Eigen nennen. Warum?

Hat man ein Vorbild, dann will man so sein wie er – mit Haut und Haaren. Dann geht es nicht nur darum ihm fußballerisch nachzueifern, sondern man bewundert ihn auch neben dem Platz. Dann werden Eigenschaften und Verhaltensweisen nachgeahmt, die für die Selbstfindung wichtig sind.

Ich denke, jeder von uns hatte Idole. Ich z.B. war nicht Fan eines Fußballers, sondern von Grace Jones. Habe die Haare exakt so getragen wie sie, fand ihre coole und androgyne Art toll. Später merkte ich, dass mir ihre extrovertierte Darstellung und Außenwirkung nicht gefielen und nichts mit meiner Lebenseinstellung gemein hatten. Schwups, war sie vom Tisch… So wird es auch bei unseren Jungs sein. Vorbilder kommen und gehen. Sie werden mit einem groß und verändern sich.

Das, was uns Eltern dabei nervt, sind diese ständigen Diskussionen über die nächsten Klamotten, Schuhe oder Frisuren und natürlich der materielle Aspekt. Es hilft oft zu hinterfragen, was genau meiner Tochter oder meinem Sohn wichtig ist und was mit dem Kauf eines bestimmten Gegenstandes bewirkt werden möchte. Notwendigkeit, Gruppenzugehörigkeit, Statussymbol?

Ich bin kein Freund davon, jeden Wunsch adhoc zu erfüllen. Das entspricht nicht dem wirklichen Leben und je eher erlernt, desto leichter und konstruktiver der Umgang mit eben solchen Situationen.
Ein „Nein, das geht jetzt nicht sofort!“ ist in jedem Alter zumutbar. Voraussetzung: Es wird plausibel erklärt und das Gegenüber fühlt sich trotzdem ernst- und wahrgenommen. Das führt meist zu Tränen und Wutausbrüchen, aber auch dazu, dass der junge Mensch angeregt wird zu überlegen, wie er ans Ziel kommen kann.

Sprengen Rucksack oder die hippen Fußballschuhe beispielsweise das Budget, kann man gemeinsam überlegen, wie sie finanziert werden können und was das Kind dazu geben kann. Oft ist man erstaunt, wie konkret und auch erfinderisch sie sind, wenn man sie mit in die Verantwortung zieht.
Zum Beispiel selbst darauf hinzusparen, einen kleinen Nebenjob wie Rasen mähen, Auto waschen, Zeitungen austragen oder ähnliches anzunehmen, Großeltern mit ins Boot zu holen, eine billigere Alternative zu wählen oder was auch immer. Mein Sohn beispielsweise hat bei größeren Anschaffungen immer etwas anderes verkauft.

Eine Lösung – dem Alter entsprechend noch mit elterlicher Unterstützung – oder sogar alleine zu finden, stärkt das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen zukünftige Herausforderungen besser meistern zu können.

Liebe Karin, ja, hippe Frisuren, coole Schuhe und stylische Rucksäcke helfen beim Tore-Schießen… Nämlich über das Gefühl.
Die Identifikation mit seinem Idol gibt Deinem Sohn die Stärke ebenso erfolgreich auf dem Fußballplatz zu sein und Tore schießen zu können. Und sicherlich auch so cool zu sein.

Zugegeben die Suche nach der Identität verlangt uns oft einiges ab, vor allem Geduld. Ich glaube, dass sie für die Entwicklung unserer Kinder ebenso wichtig ist, wie für uns. Nämlich zu erkennen, dass der kleine Knirps immer mehr eine eigenständige Person wird und Persönlichkeit entwickelt. Ich meine, dass man das als Eltern aushalten kann und sich wappnet für das, was vermutlich als nächstes kommen wird. Ich sage nur: TATTOOS…

Habt Ihr auch ein Wunschthema oder einen Themenvorschlag, schreibt mir einfach…