Warum bekommt der Frauenfußball so viel weniger Aufmerksamkeit als der Fußball der Männer?

Die Aussage eines Arbeitskollegen meines Mannes „Super Blog, lese sehr gerne die Posts über Deine eigenen Erfahrungen. Aber Du schreibst ja nur über Jungs…“ lässt mich innehalten. „Stimmt, ich schreibe nur über Jugendfußballer, weil ich keine Mädchen kenne!“

Junge Fußballerinnen begegnen mir einfach nicht im sportlichen Kontext.

Ich erinnere mich an ein paar Spiele in der E-Jugend. Da gibt es vereinzelte Mädchen in den Mannschaften gegen die unser Sohn spielt, was schon exotisch ist. In unserem Freundeskreis finden sich einige wenige Spielerinnen, die irgendwann aufhören, weil der Verein ab einem bestimmten Alter keine Juniorinnen-Mannschaft mehr hat, der Weg zum nächsten Mädchen-Team zu weit ist oder sie schlichtweg keine Lust mehr haben und andere Prioritäten setzen.

Unsere Tochter ist in jungen Jahren auch mal in der Fußball-AG der Schule, die sich aber auf Grund schwindender Mitglieder schnell wieder auflöst. Dann werden sie und ihre Freundinnen Spielpartner unseres Sohnes. Aber auch das nur für einen bestimmten Zeitraum, weil sie schnell seinen fußballerischen Ansprüchen nicht entsprechen…

Um es vorweg zu sagen:

Der Frauenfußball ist nicht weniger erfolgreich als der der Männer.

Die Frauen spielen in den gleichen Ligen wie ihre männlichen Kollegen und nach den gleichen Regeln. Gerade die Frauennationalmannschaft hat in Brasilien wieder gezeigt wie gut sie ist: GOLD!
Grandios…
Bin eh ein Fan der Trainerin Silvia Neid. Mag ihre souveräne und gelassene Art in den Interviews und freue mich, dass sie mit dem Final-Sieg bei Olympia ihren Abschied gekrönt hat. Noch mal gut eine Marke gesetzt…

Die deutschen Frauen sind neben den USA die erfolgreichste Nationalmannschaft der Welt. Sie sind zweimal Weltmeister geworden, sind achtfacher Europameister und haben jetzt das Olympia-Finale 2016 für sich entschieden.

Der Bundesligist 1. FFC Frankfurt hat neunmal den DFB-Pokal gewonnen, davon fünfmal in Folge, siebenmal wurden die Damen Deutscher Meister. Die letzten beiden Jahre haben nicht nur die Männer des FC Bayern München die Schale nach Hause gebracht, sondern auch dessen Frauen.

Also, sie müssen sich nicht hinter den Männern verstecken. Bei meiner Recherche stelle ich fest, dass es gar nicht so leicht ist, herauszufinden, in welchen Ligen die unterschiedlichen Juniorinnen-Altersklassen spielen. Oftmals werden die Mädchen nicht wie die Jungen separat geführt, sondern in die Rubrik der Frauen gepackt und sind erst über die Suchfunktion zu finden.

Bei den Geschwistern Anna und Yannick Gerhardt, die beide erfolgreiche Jugendspieler beim 1. FC Köln waren, und Yannick jetzt in Wolfsburg und Anna bei Bayern München in der Bundesliga spielen, finde ich auch viel mehr Artikel zu seinem Vereinswechsel als zu ihrem.

Warum diese Unterschiede?

Es kann doch nicht nur daran liegen, dass viele den Frauenfußball unattraktiv finden, er nicht schnell und zu wenig aggressiv ist. Ich gebe selbst zu, dass er oft behäbig und schwerfällig wirkt. Auf Grund der unterschiedlichen Physiognomie haben Frauen nun mal nicht die gleiche Schnelligkeit und Schussgeschwindigkeit wie Männer.
Auch die Technik wird immer noch oft bemängelt, obwohl die Frauen hier kräftig aufgeholt haben. Ich glaube, es wird gerne „vergessen“, dass die Herren auch lange gebraucht haben, um das heutige Niveau zu erreichen.
Die hohen Torergebnisse zeigen, dass es innerhalb einer Liga große Leistungsunterschiede in den Damenmannschaften gibt. In der Frauenliga ist der Fußballlehrer noch nicht Voraussetzung, um ein Team zu trainieren. Dafür reicht die A-Lizenz.
Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Sponsoring, TV-Rechte wie bei den Männern – Fehlanzeige. Da dominiert eh der Männerfußball. Nicht nur die weiblichen Kollegen, sondern auch zahlreiche andere Sportarten wie Basketball, Handball, Eishockey oder Radsport leiden darunter.
Und nicht zu vergessen: Die Allianz Frauen-Bundesliga ist erst 1989 vom DFB eingeführt worden!

Also, der Frauenfußball ist anders.

Das ist auch gut so. Er soll kein Abbild der Männer sein, kann es aus den genannten Gründen auch nicht. Aber warum erhalten die Spielerinnen so viel weniger Wertschätzung?

Der Hype um das Olympia-Gold der Damen ist nach kurzer Zeit schnell vorbei. Wären es die Männer gewesen, würde ich vermuten, dass die Zeitungen tage- ach, was sage ich, wochenlang voll davon wären.

Ist es nur der wirtschaftliche Faktor, dass Profispielerinnen einen Hauch von dem verdienen, was ihre männlichen Kollegen zu den großen Vereinen zieht? Ich bezweifle, dass es für die Stürmerin Anja Mittag eine Ablösesumme in Millionenhöhe gab, als sie 2015 zum französischen Erstligisten Paris Saint-Germain wechselte.

Überhaupt gibt es da ja eine extreme finanzielle Schere… Während ein „normaler“ Bundesliga-Spieler im Durchschnitt eine Million pro Jahr verdient, gehen die Frauen mit durchschnittlich 800,00 € im Monat nach Hause, knapp 10.000 Euro im Jahr. Davon leben kann niemand und so besteht ihr Leben neben dem täglichen Training aus Ausbildung, Studium und Arbeit. Da braucht es schon einiger Werbeverträge, um über die Runden zu kommen.

Prof. Dr. Frank Baumann (LINK) von der Friedrich-Schiller-Universität Jena kommentiert das in seinem Online-Artikel „Frauenfussball-WM und das Gehalt der Fußballspielerinnen“ vom 31.5.2011 recht interessant:
[…]
Betrachtet man die Entwicklung der wesentlichen Absatzmärkte im Herren-Fußball (Ticketing, TV-Übertragungsrechte, Sponsoring), so stellt man … eine sukzessive Steigerung der Nachfrage auf diesen Märkten fest, was sich entsprechend auf die Gehaltsentwicklung der Spieler niedergeschlagen hat. Gleiches ist im Frauenfußball zu diagnostizieren. Hier dürfte eine Ausweitung der Nachfrage … sogar noch größere Auswirkungen auf die Gehaltsentwicklung der Spielerinnen haben, da das Angebot an Spielerinnen … eher als knapp anzusehen ist.
Für die Gehaltsunterschiede … gibt es daher aus ökonomischer Sicht eine einfache Erklärung: Die Nachfrage auf den Absatzmärkten ist für die Unterhaltungsdienstleistung Frauenfußball geringer als für das „maskuline“ Produkt; das Wertgrenzprodukt einer Spielerin (also der Ertrag, den eine Spielerin ihrem Verein einbringt) fällt also gegenwärtig noch geringer aus als das eines Profifußballers […].

Ich weiß nicht, ob ich jetzt mehr Frauenfußball schauen werde. Auf jeden Fall werde ich anders auf ihn schauen. Ich bewundere die Spielerinnen für ihren Enthusiasmus und ihre Leidenschaft am Fußball. Natürlich haben die Männer das auch. Aber zu wissen, dass man mit dem Fußball selten bis nie die finanzielle Basis für später legen kann bei gleichem Trainingsaufwand wie das männliche Pendant, immer vor viel weniger Zuschauer spielen wird, macht sehr deutlich, um was es geht: Ums Fußball spielen.

In der Diskussion mit einem ehemaligen Jugendspieler und jetzigen Hobbykicker wird mir klar, wie viel Arbeit noch darin steckt, dem Frauenfußball ein bisschen mehr Respekt entgegenzubringen:
„So lange ich das Gefühl habe, dass ich als Hobbykicker genauso gut spiele wie die Frauen in der Nationalmannschaft, kann ich den Sport nicht ernst nehmen.“
Worte, die ich jetzt mal so unkommentiert stehen lasse…

Vielleicht schafft es ja der Fußball sich irgendwann in Richtung Tennis zu entwickeln. Da habe ich als Zuschauer nicht das Gefühl, dass die Damen weniger Beachtung erhalten als die Männer. Obwohl der Aufschlag des starken Geschlechts bestimmt härter ist als der der Frauen…