Der Muskel macht zu…

Was tun, wenn der Muskel immer wieder Probleme macht?

Muskelzerrung, Muskelfaserriss, Muskelbündelriss, Muskelbündelabriss, Muskelprellung – alles Begrifflichkeiten, die jeder von uns schon gehört und sicherlich in seiner Laufbahn als Breitensportler erlebt hat. Doch gehen wir Hobby-Sportler oft nicht zum Arzt und lassen die „Verletzung“ selten diagnostizieren. Meistens zieht es ein bisschen, wir nehmen uns eine sportliche Auszeit, steigen wieder gemäßigt ins Training oder ignorieren den Schmerz einfach und machen weiter…

Bei Fußballern sieht das anders aus. Ihr Körper ist ihr Arbeitsgerät, und wenn das nicht rund läuft, ist Stress angesagt. Sofort wird die komplette Diagnostik von Ultraschall über Röntgen bis hin zum MRT oder CT angeschmissen.
Ist der Muskel geschädigt, bedeutet das immer Verletzungs- und Trainingspause. Ich glaube, zwei der meist gehassten Worte im Fußball…

Ca. 30% aller Sportverletzungen sind Muskelverletzungen und treten am häufigsten am Oberschenkel und in der Wade auf.

Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Wachstum: Kommt bei Jugendlichen häufig vor, wenn die Knochen schneller wachsen als die umliegende Muskel- und Sehnenstruktur. Den Muskel muss man sich dann als straff gespanntes Gummiband vorstellen, das bei Einwirkung von Außen kaum Chance hat, sich weiter zu dehnen und (an-)reisst
  • Stress: Führt im Körper zu einem Ungleichgewicht, was sich bis in die Muskulatur auswirkt
  • Ernährung: Fehlende ausreichend gute Ernährung bietet dem Muskel keine Chance zur Regeneration
  • Aufwärmen: Stellen wir uns unseren Körper als Formel 1-Wagen vor: Ein kalter Motor, den man ohne Warmlaufen auf Touren bringt, gibt irgendwann den Geist auf
  • Ermüdung: Bei einem erschöpften Körper und Geist kommt es schnell zu Verletzungen, da die Kommunikation zwischen Muskulatur und Nervenbahnen nicht optimal ist und auf Veränderungen nicht schnell genug reagieren kann
  • Ruckartige Bewegung: Erfolgt dann noch eine ruckartige, meist ungewohnte Bewegung, wird der Muskel über sein Limit beansprucht und verletzt sich – Time out!
Hat man sich verletzt, ist das nicht nur Pech, sondern da hilft nur PECH: Die PECH-Regel
  • P: Pause
    um innere Blutungen und Schwellungen zu begrenzen und die Verletzung nicht zu verschlimmern
  • E: Eis
    um durch die Verengung der Blutgefäße das Anschwellen zu reduzieren
  • C: Compression
    um weitere Einblutung ins Gewebe zu verhindern
  • H: Hochlagern
    um Schwellung und Schmerzen zu vermindern

Nach Diagnose und Schwere der Verletzung erfolgt die entsprechende Reha mit Physiotherapie, Massagen, Elektrotherapie, Lymphdrainage, leichter Bewegung auf dem Ergometer und – wenn möglich – leichten Dehnübungen, ggf. entzündungshemmenden Medikamenten. Oft wird nach ein paar Wochen mit ansteigender Belastung das Training wieder aufgenommen.

Wie ist es bei immer wiederkehrenden Muskelverletzungen trotz guter Reha im Jugendbereich?

Kaum ist die eine Verletzung ausgeheilt, der Sportler wärmt sich vor dem Training ausgiebig auf, fühlt sich fit und trotzdem macht es im Spiel oder Training wieder „Zong“ und es zieht oder reißt im Muskel – ein Albtraum!

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das ein beständiges Thema ist, seitdem unser Sohn elf oder zwölf ist. Nicht nur ihn erwischt es, sondern auch viele seiner Mitspieler – die unterschiedliche körperliche Entwicklung eines Jeden führt irgendwann dazu, dass in jeder Mannschaft zu irgendeiner Zeit oft einer verletzt ist.

Ab diesem Alter sehen Fußballmannschaften optisch oft zum Piepen aus: Jungs wie die Orgelpfeifen stehen auf dem Platz.
Der eine noch so schmächtig und klein, dass ich denke, der nächste Windhauch bläst ihm vom Platz.
Der andere, der seinem Alter entspricht – eine sehr unterhaltsame Formulierung, was auch immer das heißen mag.
Und der, der wie eine Sonnenblume aus der Erde schießt. Seine Mitspieler um einen Kopf überragt, schlaksig mit viel zu langen Armen und Beinen über den Platz fegt und der Körperschwerpunkt noch nicht gefunden ist.

Das sind meist die, die als Erste Probleme bekommen: Muskeln und Sehnen kommen aufgrund des rapiden Wachstums der Knochen nicht so schnell mit. Die Knie schmerzen, die Muskeln tun weh und lassen nur eingeschränkte Bewegungen zu, das Laufen wird unrund. Der Erstbesuch bei Orthopäde und Physiotherapeut ist vorprogrammiert…

In dem Alter denkt man erstmal nicht an längere „Auszeiten“. Spieler wie Trainer und/oder Väter wollen so schnell wie möglich wieder auf den Platz. In der E-Jugend bedeutet schmerzfrei wieder einsatzbereit. Hier wird selten über langsames Auftrainieren wieder ans Trainingslevel herangeführt. Dadurch ist die Blessur nie so richtig ausgeheilt und der Nachwuchsspieler laboriert immer wieder an ihr herum.

Ich vergleiche das Verhältnis zwischen Training und Verletzung mal mit dem typischen Jojo-Effekt bei Diäten:
Training – Schmerzen – Trainingspause – Behandlung – Training (vielleicht ein bisschen länger als beim vorherigen Mal) – Schmerzen – und das gleiche beginnt von vorne…

Neben Physiotherapie und Dehnübungen lerne ich zu diesem Zeitpunkt von einem Physiotherapeuten, dass er auch das Sportgerät – den Fußballschuh – mit in die Behandlung einbezieht.
Wer sich die Treter mal von unten angeschaut hat, der wird feststellen, dass da Stollen verschiedener Größen, Formen und Anzahl drunter sind. Gerade die länglich oder eckig geformten können die Rotation des Fußes schon gewaltig einschränken.

Verständlich: Etwas, das nicht rund ist, kann sich nicht in alle Richtungen drehen. Runde Stollen dagegen lassen jede Bewegung zu. Einleuchtend, oder?

Mir ja, meinem Sohn nicht… DENN Fußballschuhe mit runden Stollen gibt es aktuell nur ein Paar und das ist der Klassiker: der Copa Mundial.

Wenn ich einen Lieblingsschuh habe, dann der: Schlicht, einfach und seit Jahrzehnten beliebt. Aber natürlich nicht bei den Youngstern… Die wollen ja bunt, knallig und am liebsten Plastik. Nicht ich, sondern der Physio setzt sich durch und drei Jahre ist der Schuhkauf easy, denn es gibt keine große Auswahl. Ich weiß, das hören Sportfabrikanten nun nicht gerne…

In den späteren Jahren verweise ich bei Muskelproblemen immer mal wieder auf die Schuhproblematik, aber weder mein Sohn – der natürlich Angst hat wieder auf die ollen Fußballschuhe reduziert zu werden – noch die behandelnden Ärzte sehen einen Zusammenhang. Ein Thema zu dem es in der Fachwelt anscheinend keine eindeutige Meinung gibt, sonst würde es sicherlich nicht die vielen unterschiedlichen Schuhe geben.
Letztendlich auch egal, damals hilft der Schuhwechsel plus Physiotherapie unserem Sohn, später greifen andere Maßnahmen.

Je älter der Spieler wird, desto intellektueller geht er mit dem Thema Verletzung um. Gerade nach einer „Seuchenzeit“ kommt der Punkt, da traut er seinem Körper nicht mehr, weil er sich nicht mehr auf ihn verlassen kann.

Dann ist es ganz wichtig, sich auf die Suche nach den Ursachen zu machen…

Denn jeder kennt das von sich selbst. Weiß ich, was mit mir los ist, fällt es mir oftmals leichter mit der Situation umzugehen. Nächste Woche mehr zu Diagnose- und Präventionsmaßnahmen, die ich im Laufe der Jahre kennen- und schätzen lerne…

Der Muskel #2