WIR SIND HIER NICHT BEIM BALLETT, SONDERN BEIM FUßBALL!

Einen Satz, den ich im Männerfußball vom Schiedsrichter gegenüber einem Spieler bisher noch nicht gehört habe. Dafür aber Paulina, 20 Jahre aus Wiesbaden.

Sie spielt seit ihrem 10. Lebensjahr Fußball und hat in der Grundschule in der Mädchen-Fußball-AG Blut geleckt und kam darüber zu ihrem ersten Fußballverein. Anfangs hat sie in gemischten Mannschaften gespielt, in denen drei Mädchen auf 20 Jungs kamen, seit der D-Jugend in reinen Mädchen- bzw. Frauenmannschaften.
Nach einem Schüleraustausch in Kanada und einem mehrmonatigen Aufenthalt in Australien spielt sie nun bei TUS Niederjosbach. Das Team trainiert zwei bis drei Mal die Woche und spielt in der Gruppen-Liga und um den Kreispokal. Paulina ist leidenschaftlicher BVB-Fan.

In Anlehnung an meinen letzten Artikel zum Thema Frauenfußball habe ich mich mit Paulina unterhalten und wollte ein bisschen was aus dem Leben einer Hobbyfußballerin erfahren.

Was gefällt Dir am Fußball?

Ich finde im Team zu spielen total gut… Ich habe auch mit dem Tennis angefangen. Das macht mir auch Spaß. Aber mit anderen Mädels in der Mannschaft zu spielen, als Mannschaft etwas zu beweisen, finde ich richtig gut. Und Ball… Ich liebe es, etwas mit dem Ball zu machen. Das war in der Schule schon so…

Du spielst mittlerweile in einer Frauenmannschaft. Was sind die Unterschiede für Dich zwischen Frauen- und Männerfußball?

Der Frauenfußball ist insgesamt noch ein bisschen langsam im Gegensatz zu den Männern. Und es gibt noch viele Vorurteile gegenüber dem Frauenfußball – nicht nur neben dem Feld, sondern auch auf dem Feld. Da kann es schon mal passieren, dass ein Schiri demotiviert ins Spiel geht, weil er nichts mit Frauenfußball zu tun haben will. Oder sich kaum von der Mittellinie weg bewegt und denkt, er sieht von da aus alles. Ob es das auch so bei den Männern gibt? Weiß ich nicht… Ich finde das unfair und unsportlich. Dann sollen sie nicht für Frauen pfeifen. Dann sollen sie klar sagen, mache ich nicht, denn das bringt so überhaupt nichts.

Und es ist gemein, dass der Männerfußball viel mehr gefördert wird.

Obwohl die Frauen ja total erfolgreich sind. …haben jetzt Olympia gewonnen. Und trotzdem hat man das Gefühl, dass viel mehr auf die Männer geschaut wurde. Wie gut die sind… Schaut man sich doch alleine die Prämien an, wenn die Weltmeister werden. Das ist schon bitter, was da die Frauen bekommen gegenüber ihren männlichen Kollegen.

Nicht zu vergessen, viele Bundesligaspielerinnen haben neben dem Fußball noch einen Beruf. Sie verdienen mit dem Fußball nicht genug Geld, um sich voll auf den Sport konzentrieren zu können. Die Männer dagegen können sich teure Autos kaufen. Da ist es verständlich, dass nicht so viele Frauen motiviert sind Fußball zu spielen…

Was müsste Deiner Meinung nach passieren, dass sich das verändert?

Ich würde schon in den frühen Jahren anfangen, die Mädchen für den Sport zu begeistern. Ich meine, die Spieler und Spielerinnen werden ja immer jünger… Ich denke, schon in der frühen Jugend mit reinen Mädchenmannschaften anzufangen, wäre eine Möglichkeit. Ich hatte das Pech, dass viele meiner Teams aufgelöst wurden. Entweder gab es zu wenig motivierte Spielerinnen oder der Verein hat sich entschieden, die Männer zu fördern. Ist mir in einer meiner letzten Mannschaften so ergangen, obwohl wir super erfolgreich waren. Zum Glück wurde uns das frühzeitig gesagt, sodass wir uns einen neuen Verein suchen konnten.

Wie gehst Du denn mit so einer Situation um? Das ist doch unheimlich frustrierend…

Das ist einfach nur gemein… Vor allem waren wir echt erfolgreich, hatten sogar zwei Trainer und haben eine gute Saison gespielt. Klar, die Männer haben eine Liga höher gespielt, und ich hätte mir gewünscht, dass wir Frauen auch die Möglichkeit gehabt hätten uns zu beweisen. Auch wenn wir vielleicht nicht das Geld reinbringen wie die Männer. Aber so ist es nun mal…

Während meiner Recherche bin ich schon auf viele dieser Aspekte gestoßen. Sie jetzt noch mal von Dir zu hören, löst bei mir das Gefühl aus, dass es eine unglaubliche Motivation und Leidenschaft braucht, trotz aller Widrigkeiten als Frau Fußball zu spielen, oder?

 Ja, es ist schon schwierig. Wenn man spielen will, muss man sich umschauen und neu orientieren. Entweder wird ein neues Team zusammengestellt oder man wechselt in ein bestehendes, aber trotzdem neues Team. In meiner neuen Mannschaft fällt es mir recht leicht mich dort zu integrieren, weil ich schon zwei Spielerinnen kenne. Trotzdem ist es schwierig und nicht immer einfach. Man muss sich beweisen, will ja auch anerkannt werden…

Wie ist die Unterstützung Deiner Trainer oder Trainerinnen?

In der ersten Mädchenmannschaft in der ich gespielt habe, hatte ich eine Trainerin. Die war ganz nett, aber hat das mehr aus Spaß gemacht und war nicht immer so wahnsinnig motiviert. Danach hatte ich bis heute nur Trainer, die auf jeden Fall ehrgeiziger waren und sind. Es gab schon ein, zwei Trainer, die hatten schon ihre Vorurteile dem Frauenfußball gegenüber. Die haben dann gerne mal einen Vergleich zu den Männern gezogen, dass die viel besser seien. Dadurch haben sie sich dann auch nicht so reingehangen, wie wir uns dass gewünscht hätten.

Mein jetziger Trainer ist schon super ehrgeizig. Der sagt uns zu jedem Spiel, dass er das mit uns gewinnen will, dass wir 100% geben sollen. Der ist voll dabei, gibt sich viel Mühe, plant das Training mit Laufeinheiten und Extraeinheiten… Er hat noch einen richtigen Beruf und arbeitet nebenbei als Coach. Der steht voll hinter dem Frauenfußball.

Aus wie vielen Personen besteht Euer Trainerteam?

Na, aus unserem Trainer und ab und zu einem Co-Trainer, der aber eigentlich die B-Jugend der Mädchen trainiert. Der betreut uns, wenn unser Trainer mal zu einem Spiel nicht kann oder im Urlaub ist. Und wir haben noch einen Torwarttrainer, der wirklich auch ganz gut ist.

Wie viele Spielerinnen seid Ihr in der Mannschaft?

Wir sind so ca. 25. Denkt man auch, nicht schlecht… Aber es sind nie alle da… Fünf sind wegen Studium oder Auslandsaufenthalt gerade nicht da, fünf fallen verletzt aus… Dann sind wir gar nicht mehr so viele. Der feste Kern, der immer zum Training und zu den Spielen kommt, sind 15 Leute.

Auf welcher Position spielst Du?

Ich spiele zwar rechts außen in der Abwehr. Doch kann es immer mal passieren, dass ich auch mal links spielen muss, wenn da eine Spielerin fehlt. Meist weiß man das erst kurz vor Spielbeginn… Bei uns muss man schon sehr flexibel sein. Da ist das Spielsystem schnell mal davon abhängig, welche Spieler und Positionen zur Verfügung stehen. So ein bisschen wie damals in der E- oder F-Jugend. Da hatten wir noch keine feste Position und haben auf allen gespielt. Während meines Austauschs in Kanada habe ich im Mittelfeld gespielt, weil die schon eine gute Abwehrkette hatten.

Bei einem unserer ersten Vorbereitungsspiele in dieser Saison mussten wir Spielerinnen aus der gegnerischen Mannschaft ausleihen, weil wir zu wenige waren und eine Spielerin sich noch im Spiel verletzt hat. Ich glaube, es waren vier Spielerinnen… Das Testspiel hat natürlich gar nichts gebracht.

Wir sind oft knapp besetzt, dass man über die gesamte Strecke von 90 Minuten gehen muss, weil auch keine Auswechselmöglichkeit da ist. Ist beim Pokalspiel schon heftig, wenn mehrere Spiele innerhalb einer Woche angesetzt sind. Und wir sind nur zehn Mannschaften in der Liga und haben oft auch lange Anfahrzeiten von 1,5 Stunden… Das ist dann schon anstrengend.

Gerade ziehen auch viele um, weil sie mit dem Studium oder der Ausbildung beginnen und schauen müssen, ob sie dann noch weiter Fußball spielen können bzw. regelmäßig zum Training kommen können.

Die Frauen sagen ganz klar, dass der Beruf an erster und der Fußball an zweiter Stelle steht.

Wie ich schon sagte, kaum eine Frau kann vom Fußball leben.

Du hast eben schon Deine Zeit in Kanada erwähnt. Wie hast Du den Fußball dort erlebt?

Schon anders… Die haben ein anderes Schulsystem, was mir gut gefallen hat… Habe da u.a als Fach Soccer Academy gewählt. Dadurch hatte ich drei Stunden am Tag Training und jedes Wochenende ein Spiel… Wir waren altersgemischt von 14–18, haben uns immer mit den Jungs aufgewärmt und trainiert. Es gab gemischte Trainingsspiele, in denen man sich gut was abgucken konnte von den Jungs… Und unser Trainer war super… Am Wochenende haben wir dann gegen die Frauenteams der anderen Schulen gespielt.

Inwiefern unterscheidet sich der Fußball zu dem, was Du aus Deutschland kennst?

Die Frauen nehmen den Fußball dort viel ernster. Die müssen gute Noten haben. Ist ja auch ein Unterrichtsfach, es wird bewertet wie oft man beim Training ist, wie schnell man sich umgezogen hat… Wenn man nicht kommt, werden sofort die Eltern angerufen. Und das überlegt man sich dann eher…. Das finde ich echt gut.
Hier die Mädels in meiner Schule hatten null Lust auf Sport, sind gar nicht gegangen oder waren „krank“. Ich war immer eine der Wenigen, die sich immer gefreut hat. Wir hatten in der 5. und 6. Klasse auch eine Mädchen-Fußball-AG in der Schule, die sogar von einer Fußballerin unterrichtet wurde. Aber weil immer so wenige gekommen sind, ist die schnell aufgelöst worden. Auf dem Zeugnis steht eh nur die Teilnahme und keine Note… Also, das finde ich in Kanada schon gut gemacht. Allein durch das tägliche Training wird man enorm besser.

Wie sehen Deine Zukunftspläne im Fußball aus?

Höherklassig könnte ich nicht, möchte ich auch nicht spielen, glaube ich… Mir macht es so Spaß. In den Profifußball wäre ich eh nicht gekommen, das hätte ich auch nicht gewollt. Dafür muss man auch viel entbehren und ich hätte mich dann auch mehr in Richtung Bundesligist z. B. Frankfurt orientieren müssen. Dann aber auch mit Schulwechsel und allem drum und dran. Aber zu dem Zeitpunkt war ich 16 Jahre und habe mich für Kanada entschieden. Das war mir dann wichtiger.

Ich würde mir wünschen, dass mehr Frauen regelmäßig zum Training kommen. Mehr Motivation und Engagement zeigen. Ich erlebe es immer wieder, dass die eine oder andere Spielerin das Training nicht ganz so ernst nimmt und auch mal nicht kommt. Ich bin da anders… Fußball hat mir schon immer Spaß gemacht und wenn ich in einer Mannschaft spiele, dann gebe ich alles fürs Team und gehe auch zu jedem Training.

Wenn ich nächstes Jahr mit dem Studium beginne, muss ich auch schauen, wie ich das mit dem Fußball hinbekomme. Wenn ich Wiesbaden verlasse, ist die Frage, ob ich woanders eine Frauenmannschaft finde.

Aber ich will auf jeden Fall weiter Fußball spielen, weil es mir Spaß macht und ich mich nach dem Training einfach super fühle.

Und ich finde, dass Sport auch ein wichtiger und super Ausgleich ist.

Wer ist Dein Fußball-Idol?

Schwer zu sagen… Also, ich schaue mir schon eher Männerfußball an. Alleine schon wegen Dortmund. Wenn die Frauen spielen, schaue ich das auch ganz gerne. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich eher den Männern zu schauen… Muss ich ganz ehrlich sagen…
Marco Reus oder Dembélé finde ich super… Die sind sau schnell und zweikampfstark.
Bei den Frauen ist im Stadion wenig los, wenn ich das mit der Südtribüne in Dortmund vergleiche… Und die Ergebnisse sind einfach nicht spannend. Zur EM-Quali zum Beispiel haben die Frauen 35:0 Tore geschossen. Da ist Null Spannung in einem Spiel. Gerade gegenüber anderen Ländern sind die deutschen Frauen extrem stark. Als Spielerin hat mir Lira Alushi immer gut gefallen. Sie hat bei den Frankfurtern extrem gut gespielt und auch nach dem Wechsel nach Paris immer alles gegeben. Soweit ich weiß, spielt sie im Moment nicht, weil sie Mutter geworden ist.

Paulina, ich wünsche Dir viel Glück weiterhin im Fußball und danke Dir für das nette Gespräch!